Wie die Immobilienlobby Mieter systematisch abzockt – und was Sie dagegen tun können
- ✓ 78 Milliarden CHF wurden seit 2006 von Mietern zu Vermietern umverteilt
- ✓ 370 CHF pro Monat zahlt ein durchschnittlicher Mieterhaushalt zu viel
- ✓ Nur 10% der Mieter erhielten trotz Referenzzinssenkung eine Mietsenkung
- ✓ 1,0% Leerwohnungsziffer – tiefster Stand seit 12 Jahren
- ✓ 110 Parlamentarier haben Verbindungen zur Immobilienlobby
- ✓ 2x NEIN am 24.11.2024: Volk stoppt Mietrechts-Abbau
Die Schweizer Mieterinnen und Mieter zahlen jährlich über 10 Milliarden Franken zu viel an Miete – das sind 370 Franken pro Haushalt und Monat, die direkt in die Taschen der Immobilienfirmen fliessen.
Trotz gesunkener Zinsen und einem Referenzzinssatz von nur noch 1,25% (Stand: Dezember 2025) steigen die Mieten weiter. SP-Nationalrätin Jacqueline Badran bringt es auf den Punkt: «Die Mietenden sind die Milchkühe der Nation.»
📑 Inhalt
- 📊 Die schockierenden Zahlen: 78 Milliarden Franken Umverteilung
- 📉 Referenzzinssatz 2025: Senkung kommt nicht bei Mietern an
- 🏚️ Wohnungskrise statt Wohnungsnot: Die wahren Ursachen
- 🏢 Wer treibt die Preise? Die Akteure der Mietexplosion
- 🏛️ Die Immobilienlobby im Parlament: 110 Verbindungen
- 🗳️ Abstimmung 24. November 2024: Das Volk sagt NEIN
- 💪 Was können Mieter tun?
- ❓ Häufige Fragen (FAQ)
📊 Die schockierenden Zahlen: 78 Milliarden Franken Umverteilung
Eine wegweisende Studie des Büros für Arbeits- und Sozialpolitische Studien (BASS) hat 2022 das Ausmass der Umverteilung auf dem Schweizer Mietwohnungsmarkt dokumentiert. Die Ergebnisse sind alarmierend.
Die BASS-Studie im Detail
| Kennzahl | Wert | Zeitraum |
|---|---|---|
| Gesamtumverteilung | 78 Milliarden CHF | 2006–2021 |
| Jährliche Umverteilung | 10,4 Milliarden CHF | 2021 |
| Pro Haushalt/Monat | 370 CHF zu viel | 2021 |
| Pro Haushalt/Jahr | 4'440 CHF zu viel | 2021 |
| Anteil der Miete | 26% zu hoch | 2021 |
| Durchschnittliche Nettorendite | 6,2% | (erlaubt: ~3,25%) |
Die Studie zeigt: Obwohl die Hypothekarzinsen seit 2006 massiv gesunken sind, stiegen die Mieten um 22,1 Prozent. Nach geltendem Mietrecht hätten sie eigentlich sinken müssen.
Warum zahlen Mieter zu viel?
Das Schweizer Mietrecht kennt eigentlich keine freie Marktmiete. Ein Vermieter darf nicht beliebig viel verlangen, sondern muss sich an die gesetzlichen Renditelimiten halten. Das Bundesgericht hat 2020 entschieden:
Erlaubte Maximalrendite = Referenzzinssatz + 2%
Aktuell: 1,25% + 2% = 3,25% Maximalrendite
Die Realität sieht anders aus: Immobilienfirmen erzielen durchschnittlich 6,2% Nettorendite – fast das Doppelte des Erlaubten. Plattformen wie Crowdhouse werben sogar mit Renditen von bis zu 7%.
Das Problem: Der Staat kontrolliert nicht. Nur gerade 0,2% aller Anfangsmieten werden von Mietern angefochten. Die meisten wissen gar nicht, dass sie zu viel zahlen – oder haben Angst vor Kündigung.
Aber das ist noch nicht alles...
📉 Referenzzinssatz 2025: Senkung kommt nicht bei Mietern an
Der hypothekarische Referenzzinssatz ist das zentrale Instrument zur Berechnung erlaubter Mietzinsanpassungen in der Schweiz. 2025 gab es gleich zwei Senkungen.
Entwicklung des Referenzzinssatzes 2024–2025
| Datum | Referenzzinssatz | Veränderung |
|---|---|---|
| Bis 02.03.2025 | 1,75% | – |
| 04.03.2025 | 1,50% | -0,25% |
| 02.09.2025 | 1,25% | -0,25% |
| 02.12.2025 | 1,25% | unverändert |
Jede Senkung um 0,25 Prozentpunkte berechtigt Mieter grundsätzlich zu einer Mietzinssenkung von 2,91%.
Das Problem: Mieter müssen selbst aktiv werden
Die schockierende Realität Ende 2025: Nur etwa 10% der Mieterinnen und Mieter haben trotz zweimaliger Senkung tatsächlich eine Mietzinsreduktion erhalten. Das berichtete der Tages-Anzeiger im Dezember 2025.
Gründe dafür:
- Holschuld statt Bringschuld: Mieter müssen die Senkung aktiv beim Vermieter einfordern
- Unwissenheit: Viele Mieter kennen ihre Rechte nicht
- Angst vor Kündigung: Wer reklamiert, fürchtet negative Konsequenzen
- Gegenrechnung: Vermieter können Teuerung und gestiegene Unterhaltskosten anrechnen
So berechnen Sie Ihren Anspruch
Wenn Ihr aktueller Mietzins auf einem Referenzzinssatz von 1,5% oder höher basiert, haben Sie grundsätzlich Anspruch auf eine Senkung:
- Von 1,75% auf 1,25%: ca. 5,66% Senkungsanspruch (2 × 2,91%)
- Von 1,50% auf 1,25%: ca. 2,91% Senkungsanspruch
Nutzen Sie die Mietzinsrechner des Mieterverbands oder des HEV, um Ihren genauen Anspruch zu berechnen.
🏚️ Wohnungskrise statt Wohnungsnot: Die wahren Ursachen
Der Begriff «Wohnungsnot» ist laut Experten irreführend. Er suggeriert, dass einfach mehr gebaut werden müsste. Doch die Fakten zeigen ein anderes Bild.
Leerwohnungsziffer: Tiefster Stand seit 12 Jahren
| Jahr | Leerwohnungsziffer | Veränderung |
|---|---|---|
| 2020 | 1,72% | – |
| 2021 | 1,54% | -0,18% |
| 2022 | 1,31% | -0,23% |
| 2023 | 1,15% | -0,16% |
| 2024 | 1,08% | -0,07% |
| 2025 | 1,00% | -0,08% |
Quelle: Bundesamt für Statistik (BFS), September 2025
Die Leerwohnungsziffer ist im Juni 2025 auf 1,0% gefallen – der tiefste Stand seit 12 Jahren. In absoluten Zahlen: Nur noch 48'455 Wohnungen standen schweizweit leer, das sind 3'519 weniger als im Vorjahr (-6,8%).
Dramatische Situation in den Zentren
| Region | Leerwohnungsziffer 2025 |
|---|---|
| Stadt Zürich | 0,10% |
| Stadt Winterthur | 0,18% |
| Stadt Thun | 0,05% |
| Kanton Genf | 0,34% |
| Kanton Zug | 0,42% |
| Kanton Zürich | 0,48% |
| Kanton Basel-Stadt | 0,95% |
In Zürich Stadt steht nur jede tausendste Wohnung leer. Das bedeutet: Wer eine Wohnung sucht, konkurriert mit Dutzenden anderen Interessenten um jedes Objekt.
Das Paradox: Mehr Bau löst das Problem nicht
Zwischen 2008 und 2021 hat sich die Leerwohnungsziffer in der Schweiz verdoppelt – ohne dass dies zu sinkenden Mieten geführt hätte. Das zeigt: Es handelt sich nicht um eine simple Angebots-Nachfrage-Situation, sondern um ein strukturelles Problem des Immobilienmarktes.
Die Gründe:
- Immobilien werden als Anlagevehikel behandelt, nicht als Wohnraum
- Bei Mieterwechseln werden systematisch die Mieten erhöht
- Der Neubau konzentriert sich auf das Hochpreissegment
- Sanierungen werden genutzt, um Mieter zu verdrängen
🏢 Wer treibt die Preise? Die Akteure der Mietexplosion
Die Struktur des Schweizer Mietwohnungsmarktes hat sich in den letzten Jahrzehnten fundamental verändert. Immer mehr Wohnungen gehören nicht mehr privaten Eigentümern, sondern institutionellen Investoren.
Die wichtigsten Akteure
Börsenkotierte Immobilienfirmen:
- Swiss Prime Site
- PSP Swiss Property
- Allreal
- Mobimo
Immobilienfonds und -anlagen:
- UBS-Immobilienfonds
- Credit Suisse Real Estate Funds
- Swiss Life Living + Working
Pensionskassen:
Der Wert der 2,3 Millionen vermieteten Wohnungen in der Schweiz beträgt rund 1'165 Milliarden Franken. Die jährlichen Mietzinszahlungen: etwa 40 Milliarden Franken.
Internationale Investoren:
Auch globale Player wie BlackRock und JP Morgan sind auf dem Schweizer Immobilienmarkt aktiv und verstärken den Renditedruck.
Das Problem der Renditeorientierung
Diese institutionellen Anleger haben andere Prioritäten als private Hauseigentümer:
- Quartalsrenditen statt langfristiger Bewirtschaftung
- Aktionärserwartungen statt Mieterbeziehungen
- Portfoliooptimierung statt Quartierentwicklung
Die Folge: Systematische Mieterhöhungen bei jedem Mieterwechsel, aggressive Sanierungsstrategien und minimaler Unterhalt zwischen den Renovationen.
🏛️ Die Immobilienlobby im Parlament: 110 Verbindungen
Die Transparenzplattform Lobbywatch.ch dokumentiert die Interessenbindungen der Schweizer Parlamentarier. Das Bild ist eindeutig.
Immobilienlobby nach Partei
| Partei | Verbindungen zur Immobilienbranche |
|---|---|
| SVP | 32 Mandate |
| FDP | 24 Mandate |
| Mitte | 22 Mandate |
| SP | 17 Mandate |
| Grüne | 4 Mandate |
| GLP | 3 Mandate |
| Andere | 8 Mandate |
| Total | 110 Mandate |
Quelle: Lobbywatch.ch, 2024
Das bürgerliche Übergewicht
Die drei Parteien SVP, FDP und Mitte stellen zusammen:
- 126 von 200 Sitzen im Nationalrat (63%)
- 33 von 46 Sitzen im Ständerat (72%)
Diese komfortable Mehrheit ermöglicht es, Gesetzesvorlagen im Sinne der Immobilienwirtschaft durchzubringen – wie die Mietrechtsrevisionen zu Untermiete und Eigenbedarf zeigten.
Die parlamentarische Gruppe «Wohn- und Grundeigentum»
Mit 97 Mitgliedern ist diese vom Hauseigentümerverband (HEV) organisierte Gruppe die grösste parlamentarische Interessengruppe im Bundeshaus. Der HEV versorgt damit ein Drittel des Nationalrats und die Hälfte des Ständerats mit «Informationen, Interpretationen und Empfehlungen».
Von den 97 Mitgliedern der Gruppe «Wohn- und Grundeigentum» gehören alle ausser einer Person den Fraktionen SVP, FDP oder Mitte an.
🗳️ Abstimmung 24. November 2024: Das Volk sagt NEIN
Am 24. November 2024 stimmte die Schweizer Bevölkerung über zwei Mietrechtsrevisionen ab – und erteilte der Immobilienlobby eine deutliche Absage.
Die Abstimmungsresultate
| Vorlage | Ergebnis | Stimmenanteil |
|---|---|---|
| Untermiete verschärfen | NEIN | 51,6% |
| Eigenbedarf erleichtern | NEIN | 53,8% |
Quelle: Bundeskanzlei
Was wollten die Vorlagen?
Untermiete-Vorlage:
- Schriftliches Gesuch für jede Untermiete
- Vermieter können ohne Grund ablehnen
- Untervermietung auf 2 Jahre begrenzt
- Kündigung bei kleinen Formfehlern
Eigenbedarf-Vorlage:
- «Dringender» Eigenbedarf wird zu «bedeutend und aktuell»
- Schnellere Kündigungen bei Eigentümerwechsel
- Kürzere Erstreckungsfristen für Mieter
Warum das Volk NEIN sagte
Die Argumente des Referendumskomitees um den Mieterverband überzeugten:
- «Rauswurf-Vorlagen»: Das wahre Ziel sei, Mieter leichter loszuwerden, um danach die Mieten zu erhöhen
- Salamitaktik: Die Immobilienlobby zerstückelt den Mieterschutz-Abbau in Einzelvorlagen
- Ausreichendes Recht: Beide Bereiche sind bereits heute klar geregelt
- Mehrheit der Mieter: 60% der Schweizer Bevölkerung sind Mieter
«Man kann keine Reform machen, ohne auf die Mieter zuzugehen.»
– Politologe Lukas Golder, gfs Bern
💪 Was können Mieter tun?
Trotz der schwierigen Situation sind Mieterinnen und Mieter nicht machtlos.
1. Mietzinssenkung einfordern
Prüfen Sie, auf welchem Referenzzinssatz Ihr aktueller Mietzins basiert (steht oft im Mietvertrag). Liegt er über 1,25%, können Sie eine Senkung verlangen.
1. Nutzen Sie einen Mietzinsrechner (z.B. Mieterverband)
2. Schreiben Sie Ihrem Vermieter
3. Fordern Sie die Senkung per eingeschriebenem Brief
2. Anfangsmiete anfechten
Bei einem Neueinzug können Sie innerhalb von 30 Tagen die Anfangsmiete bei der Schlichtungsbehörde anfechten, wenn:
- Die Miete deutlich über der Vormiete liegt
- Sie sich in einer Notlage befanden (z.B. dringend Wohnung brauchten)
3. Dem Mieterverband beitreten
Als Mitglied erhalten Sie:
- Rechtsberatung
- Hilfe bei Wohnungsabgaben
- Unterstützung bei Konflikten mit Vermietern
- Politische Interessenvertretung
4. Politisch aktiv werden
- An Abstimmungen teilnehmen
- Parteien wählen, die Mieterinteressen vertreten
- Petitionen unterschreiben
- Lokale Mieterorganisationen unterstützen
❓ Häufig gestellte Fragen
Wie hoch ist der aktuelle Referenzzinssatz in der Schweiz?
Der hypothekarische Referenzzinssatz beträgt seit dem 2. September 2025 1,25 Prozent. Er ist per 2. Dezember 2025 unverändert geblieben. Die nächste Bekanntgabe erfolgt am 2. März 2026.
Habe ich Anspruch auf eine Mietzinssenkung?
Ja, wenn Ihr aktueller Mietzins auf einem Referenzzinssatz von 1,5% oder höher basiert. Pro 0,25 Prozentpunkte Senkung haben Sie grundsätzlich Anspruch auf eine Mietzinsreduktion von 2,91%.
Wie viel zahlen Schweizer Mieter zu viel?
Laut der BASS-Studie zahlen Schweizer Miethaushalte im Durchschnitt 370 Franken pro Monat bzw. 4'440 Franken pro Jahr zu viel. Das entspricht etwa 26% der Nettomiete.
Warum steigen die Mieten trotz sinkender Zinsen?
Die Hauptgründe sind: Vermieter geben Zinssenkungen nicht weiter, bei Mieterwechseln werden Mieten systematisch erhöht, und die Nachfrage übersteigt das Angebot in den Ballungszentren massiv.
Wie hoch ist die erlaubte Maximalrendite für Vermieter?
Das Bundesgericht hat 2020 entschieden: Die erlaubte Maximalrendite beträgt den Referenzzinssatz plus 2 Prozent. Bei 1,25% Referenzzinssatz sind das also 3,25% Maximalrendite.
Wie viele Parlamentarier haben Verbindungen zur Immobilienlobby?
Laut Lobbywatch.ch haben 110 Parlamentarier direkte Verbindungen zur Immobilien- und Hauseigentümerbranche, davon 32 von der SVP, 24 von der FDP und 22 von der Mitte.
Was ist die Leerwohnungsziffer?
Die Leerwohnungsziffer zeigt, wie viel Prozent aller Wohnungen am 1. Juni eines Jahres leer stehen und zur Miete oder zum Kauf angeboten werden. Sie lag 2025 bei 1,0% – der tiefste Stand seit 12 Jahren.
Wie ging die Mietrechts-Abstimmung vom 24. November 2024 aus?
Beide Vorlagen wurden abgelehnt: Die Verschärfung der Untermiete mit 51,6% Nein, die Erleichterung von Kündigungen bei Eigenbedarf mit 53,8% Nein.
Wo kann ich meine Miete überprüfen lassen?
Sie können die Schlichtungsbehörde Ihres Kantons kontaktieren oder sich an den Mieterinnen- und Mieterverband wenden. Dort erhalten Sie Beratung und können Ihre Miete überprüfen lassen.
Welche weiteren Angriffe auf das Mietrecht drohen?
Die Immobilienlobby plant weitere Vorlagen: Einschränkung der Anfechtung von Anfangsmieten und Zementierung der «Orts- und Quartierüblichkeit» als Preismassstab. Der Mieterverband beobachtet diese Entwicklungen genau.
📚 Quellen & Verweise
🏛️ Offizielle Stellen (Tier 1):
- BWO: Hypothekarischer Referenzzinssatz: bwo.admin.ch
- BFS: Leerwohnungszählung 2025: bfs.admin.ch
- Lobbywatch: Immobilien/Hauseigentümer: lobbywatch.ch
- admin.ch: Medienmitteilung Referenzzinssatz: admin.ch
📰 Medienberichte (Tier 2):
- SRF: Mietzinssenkungen in Sicht: srf.ch
- SRF: Abstimmung Mietrecht: srf.ch
- Tages-Anzeiger: Nur 10% erhielten Senkung: tagesanzeiger.ch
🔗 Interessenverbände:
- Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz: mieterverband.ch
- BASS-Studie: 78 Milliarden Franken: mieterverband.ch
Stand: Dezember 2025 – Alle Angaben ohne Gewähr.
