Tempo-20-Revolution auf den Strassen: Warum diese Stadt Autos auf 20 km/h bremst


Kann ein einfaches Tempolimit unsere Städte retten? Stellen Sie sich eine Stadt vor, in der der Verkehr flüssiger, die Luft sauberer und die Strassen leiser sind. Klingt utopisch? Eine führende europäische Metropole hat genau das gewagt: Autos dürfen in zentralen Bereichen der Stadt nur noch mit 20 km/h fahren. Doch was steckt hinter dieser drastischen Massnahme?

Tempo 20: Ein radikales Tempolimit-Verkehrschild für Autos und Verkehr

Inhalte:

 

 

Tempo 20:
Der mutige Plan hinter der Massnahme


Ein kühler Dezembermorgen in Frankfurt: Wo früher Autos im Schritttempo durch verstopfte Strassen krochen, flanieren heute entspannt Fussgänger. Radfahrer überholen gelassen die wenigen Autos, die mit maximal 20 km/h durch die Innenstadt gleiten. Was wie eine Utopie klingt, ist in Frankfurt bereits Realität - dank eines revolutionären Verkehrskonzepts, das deutschlandweit Schule machen könnte.

Im Dezember 2023 hat die Weltmetropole Frankfurt einen radikalen Schritt unternommen: Die Einführung von Tempo-20-Zonen in Teilen der Innenstadt. Ziel ist es, die Innenstadt lebenswerter zu machen, den Verkehr zu beruhigen und den öffentlichen Raum zurückzuerobern. Die Einführung der Tempo-20-Zone rund um die Frankfurter Börse markiert den Beginn einer tiefgreifenden Transformation der Mainmetropole. Doch anders als bei autofreien Zonen und als viele vermuten, geht es dabei um weit mehr als nur reduzierte Geschwindigkeit:

  • Was bedeutet Tempo 20 konkret? Maximale Geschwindigkeit von 20 km/h für motorisierten Verkehr. Fahrräder dürfen hingegen schneller fahren.

  • Kein kostenloses Parken mehr: Strassenparkplätze wurden abgeschafft, während neue Ladezonen und subventionierte Carsharing-Angebote den Übergang erleichtern sollen. Dafür bleiben Behindertenparkplätze und Taxiständ erhalten.

  • Hauptstrassen bleiben offen: Um Staus zu vermeiden, bleiben wichtige Verkehrsadern von der Regelung ausgenommen.

  • Sicherheit im Fokus: Die Massnahme schützt vor allem Fussgänger und Radfahrer, da niedrigere Geschwindigkeiten das Risiko schwerer Unfälle drastisch senken.

  • Paris als Pionier: Die französische Hauptstadt führte bereits 2021 flächendeckend Tempo 30 ein. Laut Berichten der Stadtverwaltung wurden folgende Ziele angestrebt:

    • 25% weniger Verkehrsunfälle

    • 50% Reduktion der Lärmbelastung

    • 15% weniger CO2-Emissionen

    • Mehr Raum für Radfahrer

 

 

Wissenschaftlich bewiesen:
Warum Tempo 20 funktioniert


Die Vorteile von Tempo-20-Zonen sind durch Studien eindeutig belegt:

  1. Unfallrisiken senken: Die Differenz von 20 km/h kann bei einem Unfall mit einem Fussgänger im Stadtverkehr über Leben und Tod entscheiden. «Im Auto fühlt sich der Unterschied zwischen 30 und 50 km/h nicht besonders gross an, bei einer Kollision mit einem Fussgänger ist er allerdings gravierend.» Crashtests hätten gezeigt, dass ein Fussgänger, der von einem Auto mit Tempo 30 statt Tempo 50 erfasst wird, den Unfall sehr wahrscheinlich mit vergleichsweise leichten Verletzungen überlebt. Bei einer Kollision mit 50 km/h seien die Folgen lebensgefährlich bis hin zu sehr wahrscheinlichen tödlichen Verletzungen (Quelle: T-Online).

  2. Weniger Lärm: Eine Reduzierung der Geschwindigkeit verringert grundsätzlich auch den Lärm. Eine Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h kann den Lärmpegel je nach Lkw-Anteil um zwei bis drei dB(A) vermindern (Quelle: Deutscher Bundestag).

  3. CO2-Ausstoss verringern: Eine Temporeduzierung senkt den Emissionsausstoss. Dies bestätigt auch eine Studie, die aufzeigt, dass ein generelles Tempolimit auf Bundesautobahnen die Treibhausgasemissionen jährlich je nach Ausgestaltung um 1,9 bis 5,4 Millionen Tonnen verringern könnte (Quelle: Umweltbundesamt).

 

 

Herausforderungen und Kritik:
Was noch verbessert werden muss


Die Einführung von Tempo-20-Zonen bringt nicht nur Vorteile, sondern durchaus auch einige Herausforderungen:

  • Einzelhändler skeptisch: Einige Geschäftsinhaber befürchten per se einen Wegfall von Kunden. Doch Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass mehr Fussgänger oft auch mehr Käufer bedeuten (Quelle: Ohne Autofahrer und Parkplätze kein Umsatz? Falsch – wie diese Stadt beweist).

  • Stau an Übergängen: Kritiker weisen auf Verzögerungen an den Rändern der Zonen hin. Hier müssen Ampelschaltungen optimiert werden, um den Verkehrsfluss entsprechend zu verbessern.

  • Akzeptanzprobleme: Besonders die Autofahrer fühlen sich aus naheliegenden Gründen bei jeder Tempodrosselung eingeschränkt, weshalb die Stadt verstärkt auf Informationskampagnen setzen muss.

 

 

Was andere Städte
von diesem Modell lernen können


Die Einführung von Tempo-20-Zonen in Frankfurt ist Teil eines globalen Trends, städtische Räume lebenswerter zu gestalten. Ähnliche Ansätze wurden in anderen Städten erfolgreich umgesetzt, und ihre Ergebnisse bieten wertvolle Erkenntnisse:

  • Zürich: Weniger Lärm und mehr Lebensqualität:

    In Zürich wurden Tempo-30-Zonen in Wohngebieten eingeführt, die nachweislich die empfundene Lärmbelästigung reduzieren. Eine Studie des Umwelt- und Gesundheitsschutzes Zürich (UGZ) zeigt, dass der Verkehrslärm tagsüber um bis zu 2 Dezibel und nachts um bis zu 4 Dezibel gesenkt werden konnte. Dies trägt massgeblich zur Lebensqualität der Anwohner bei (Quelle: Stadt Zürich).

  • Oslo: Sicherere Strassen durch umfassende Massnahmen:

    Norwegen, einschliesslich Oslo, hat sich durch strenge Verkehrssicherheitsmassnahmen zu einem der sichersten Länder für Verkehrsteilnehmer entwickelt. Die Zahl der Verkehrstoten hat sich in Norwegen seit 2010 halbiert, während der EU-Durchschnitt einen Rückgang von nur 20 % verzeichnet. Reduzierte Geschwindigkeitsbegrenzungen sind ein zentraler Bestandteil dieses Erfolgs (Quelle: Norwegen mit den sichersten Strassen).

  • Barcelona: Superblocks als Vorbild für nachhaltige Stadtentwicklung:

    Das „Superblock“-Programm in Barcelona ist eine innovative städtische Strategie, die darauf abzielt, den Autoverkehr in bestimmten Stadtteilen zu minimieren und den öffentlichen Raum lebenswerter zu gestalten. Innerhalb der Superblocks werden Strassen für den Durchgangsverkehr gesperrt, während Fussgängern und Radfahrern Vorrang eingeräumt wird. Ziele des Programms sind unter anderem:

    • Verbesserung der Luftqualität: Durch die Reduktion des Verkehrsaufkommens sollen Schadstoffemissionen gesenkt werden.

    • Schaffung neuer sozialer Räume: Öffentliche Flächen werden umgestaltet und für Parks, Spielplätze und kulturelle Veranstaltungen genutzt.

    Das Konzept der Superblocks hat international Beachtung gefunden und wird als Beispiel für innovative und nachhaltige Stadtentwicklung diskutiert. Städte wie Berlin, Paris und Brüssel prüfen ähnliche Ansätze, inspiriert von Barcelonas Erfolgen.

 

 

FAQ:
Häufig gestellte Fragen

  • Gilt Tempo 20 auch für Rettungsfahrzeuge?

    Nein, Einsatzfahrzeuge sind von der Regelung ausgenommen.

  • Wie wird die Geschwindigkeit kontrolliert?

    Durch regelmässige Kontrollen und fest installierte Messanlagen.

  • Was passiert mit dem Lieferverkehr?

    Spezielle Lieferzonen und Zeitfenster ermöglichen weiterhin effiziente Anlieferungen.

Die Frankfurter Tempo-20-Initiative zeigt: Verkehrsberuhigung kann funktionieren - wenn sie klug geplant und umgesetzt wird. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend und könnten als Blaupause für andere deutsche Städte dienen. Denn die Einführung von Tempo-20-Zonen in Frankfurt zeigt, dass innovative Verkehrskonzepte nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch die Lebensqualität in Städten spürbar verbessern können. Indem Autos langsamer fahren und der öffentliche Raum neu gedacht wird, profitieren Fussgänger, Radfahrer und die Umwelt gleichermassen.

Der Blick auf andere Städte wie Zürich, Oslo und Barcelona verdeutlicht, dass solche Massnahmen langfristig erfolgreich sein können, wenn sie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren und die Bedürfnisse der Bewohner berücksichtigen.

Frankfurts Tempo-20-Zone könnte damit ein Vorbild für Städte weltweit werden, die den Herausforderungen von Klimawandel, Lärmbelastung und urbaner Lebensqualität begegnen wollen. Die ersten Schritte sind gemacht – die Ergebnisse werden zeigen, ob Frankfurt diesen Weg konsequent weitergehen wird.

Autor ConvivaPlus - Schweiz

Autor: INFO Schweiz - Redaktion

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Letzte Aktualisierung: 11.01.2025, 22:38

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