Ohne Autofahrer und Parkplätze kein Umsatz? Falsch. 93% der Kunden kaufen ohne Auto ein: sie kommen mit Bus, Tram, Zug, zu Fuss und per Fahrrad und sorgen für 91% der Umsätze – wie diese Stadt beweist ...
«Autofreie Zonen und Parkplatzabbau zerstören die Wirtschaft!» «Den Geschäften geht der Umsatz flöten und kommen die Kunden abhanden!» «Die Städte sterben aus ohne Parkplätze!». So und ähnlich lauten die beliebtesten, inflationär benutzten Gegen-Argumente bei jeder Debatte um neue Fussgängerzonen, Abbau von Parkplätzen, Bau von neuen Radwegen, innerstädtische Begrünung, Aufwertung von Lebensqualität und bei Verkehrsberuhigung in der Stadt. Kurz vorweggenommen: Die Rolle des Autos in Städten wird krass überschätzt. Die nachfolgenden Zahlen liefern den Beweis.
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Viele Einzelhändler hegen die Befürchtung, dass die Reduktion von Parkmöglichkeiten für Autos direkt zu einem Umsatzrückgang führt. Diese Sorge basiert jedoch auf einer fehlerhaften Einschätzung des Mobilitätsverhaltens ihrer Kunden, wie eine umfassende Studie des Instituts für fortgeschrittene Nachhaltigkeitsstudien (IASS) an zwei belebten Einkaufsstrassen in Berlin offenbart. Sie widerlegt diese Annahme und liefert aufschlussreiche Daten, die das Verkehrsverhalten der Konsumenten beleuchten und zeigen, dass weniger Parkraum nicht zwangsläufig schlecht für das Geschäft sein muss.
Die Studie umfasste Befragungen von 2019 Kunden sowie 145 Einzelhändlern am gut frequentierten Kottbusser Damm (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) und der Hermannstrasse (Bezirk Neukölln).
Überraschend für viele: 93 Prozent der Kunden erreichten die Einkaufsstrassen nicht mit dem Auto. Tatsächlich stammten 91 Prozent der in lokalen Geschäften ausgegebenen Gelder von Personen, die zu Fuss, per Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs waren. Autofahrer trugen lediglich zu 9 Prozent der Gesamtumsätze bei.
Zahlen statt gefühlte Wahrheiten:
Ein interessanter Aspekt der Studie ist die starke Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Händler und der Realität. Während Händler schätzten, dass 22 Prozent ihrer Kunden mit dem Auto kämen, zeigte die Umfrage, dass es tatsächlich nur 7 Prozent waren. Diese Fehleinschätzung könnte teilweise daran liegen, dass Einzelhändler, die selbst mit dem Auto fahren, dazu neigen, die Autonutzung ihrer Kunden deutlich zu überschätzen.
«Dieser Befund kommt keineswegs überraschend. Er deckt sich mit Studien, die 2019 über die Innenstädte von Offenbach, Gera, Erfurt, Weimar und Leipzig erschienen sind. Auch die Forschung über Mobilität und lokale Wirtschaft aus anderen europäischen Ländern, aus Nordamerika und Australien spiegeln die gleichen Erkenntnisse wider», erklärt IASS-Wissenschaftler Dirk von Schneidemesser.
Die Umfrage offenbarte auch, dass viele Kunden lokale Geschäfte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft aufsuchen: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) wohnten weniger als einen Kilometer entfernt, während Händler diesen Anteil nur auf 13 Prozent schätzten.
Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer verbesserten Infrastruktur für aktive Mobilität. Dirk von Schneidemesser vom IASS betont, dass sich organisierte Wirtschaftsverbände mit den Vor- und Nachteilen einer solchen Infrastruktur auseinandersetzen sollten, um die Interessen der lokalen Wirtschaft effektiv zu vertreten und zu fördern. Durch evidenzbasierte Ansätze könnte eine bessere Fussgänger- und Radinfrastruktur nicht nur die Lebensqualität verbessern, sondern auch zu einer Belebung der lokalen Wirtschaft beitragen.
• Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit - Helmholtz-Zentrum Potsdam:
→ Mobilität beim Einkaufen: Händler überschätzen Rolle des Autos
• Findings:
→ Local Business Perception vs. Mobility Behavior of Shoppers: A Survey from Berlin
• Radsam:
→ Endbericht des NRVP-Forschungsprojektes „Mit dem Rad zum Einkauf in die Innenstadt"
• Bristol Cycling:
→ Shoppers and how they travel
• Taylor & Francis:
→ Measuring the Local Economic Impacts of Replacing On-Street Parking With Bike Lanes
• Taylor & Francis:
→ Recognising the economic role of bikes: sharing parking in Lygon Street, Carlton
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Autor: INFO Schweiz - Redaktion