Alarmierende Nachrichten aus der Antarktis: Rekord-Temperaturen lassen das «ewige Eis» in einem beispiellosen Tempo schmelzen wie Butter in der Sonne. Die Antarktis, einst Symbol für eisige Kälte und unberührte Natur, erlebt eine erschreckende Hitzewelle, die Wissenschaftler weltweit in Aufruhr versetzt. Mit Temperaturen weit über dem Normalwert könnte dies das endgültige Aus für den südlichen Eisschild bedeuten. Sind wir Zeugen eines unumkehrbaren Wendepunkts in der Klimageschichte?
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Stellen Sie sich vor, Sie packen für einen Ausflug zum Südpol Ihre Winterjacke ein – nur um festzustellen, dass Sie besser einen Badeanzug, Sonnencreme und Flipflops hätten mitnehmen sollen. Übertrieben? Vielleicht, aber nicht so weit hergeholt, wie man denken könnte. Seit Mitte Juli 2024 kletterten die Temperaturen in Teilen der Antarktis auf bis zu minus 5 Grad Celsius. Das mag sich für uns nach Eiseskälte anhören, doch für antarktische Verhältnisse ist das geradezu tropisch. Normalerweise sollten die Temperaturen zu dieser Jahreszeit zwischen minus 14 und minus 24 Grad liegen. Diese unerwartete Wärme lässt nicht nur Pinguine ins Schwitzen geraten, sondern auch Klimaforscher weltweit in Alarmbereitschaft versetzen.
Laut neuen Daten des Copernicus Climate Change Service erlebte ein Grossteil der antarktischen Region Ende Juli 2024 Temperaturen, die 10 bis 12°C über dem Durchschnitt für diese Jahreszeit lagen – und an einigen Tagen stiegen die Werte sogar um erschreckende 25°C über den Normalwert [Quelle: IFLScience].
Während einige womöglich von einem Strandurlaub am Südpol träumen, sind die potentiellen Folgen dieser Hitzewelle alles andere als sonnig. Ein grosser Teil des Süsswassers der Erde ist gefroren. Es wird in Gletschern auf der ganzen Welt sowie in den Eisschilden Grönlands und der Antarktis gespeichert. Wenn dieses Eis schmilzt oder abbricht, fliesst das Wasser in die Ozeane und der Meeresspiegel steigt. Wenn alle Gletscher und Eisschilde schmelzen würden – zugegeben ein extremes Szenario – würde der globale Meeresspiegel um mehr als 60 Meter ansteigen. [Quelle: NASA - Sea Level Change]
Besonders besorgniserregend ist hierbei der Zustand des westantarktischen sogenannten «Doomsday-Gletscher», wissenschaftlich als Thwaites-Gletscher bekannt. 2010 wies der Thwaites-Gletscher eine Ausdehnung von rund 192'000 km2 auf – grösser als Florida (mit 170'000 km2). Wegen der katastrophalen Auswirkungen, die sein Auftauen auf den globalen Meeresspiegelanstieg haben könnte, wird er auch «Weltuntergangsgletscher» genannt. Dieser Koloss allein könnte bei vollständigem Abschmelzen den Meeresspiegel um bis zu 65 Zentimeter anheben. Das mag nach wenig klingen, aber stellen Sie sich vor, wie das die Küstenlinien weltweit verändern würde.
Laut der International Thwaites Glacier Collaboration verliert Thwaites bereits jetzt jährlich etwa 50 Milliarden Tonnen mehr Eis, als er durch Schneefall zurückgewinnt – was etwa 4% des gesamten Meeresspiegelanstiegs weltweit ausmacht. [Quelle: Nature].
Was steckt hinter dieser ungewöhnlichen Hitzewelle in der Antarktis? Der Hauptverdächtige ist ein Phänomen namens «Zusammenbruch des südlichen Polarwirbels». Klingt wie der Titel eines Katastrophenfilms, ist aber bittere Realität.
Der Polarwirbel ist ein riesiges, zirkulares Windmuster in der Stratosphäre, das wie ein unsichtbarer Wächter kalte Luftmassen über den Polarregionen festhält. Es umschliesst kalte Luftmassen und hält sie in der Polarregion gefangen. Es gibt zwei Polarwirbel, einen über der Arktis und einen über der Antarktis. Normalerweise hält der Polarwirbel die kalte Luft über der Antarktis gefangen, wie eine atmosphärische Barriere. Doch manchmal – und dieses Mal besonders heftig – bricht diese Barriere zusammen. Das Resultat? Wenn dies geschieht, kann kalte Luft aus der Polarregion entweichen und in niedrigere Breiten strömen, während wärmere Luftmassen in die Polarregion eindringen.
Dr. Zachary Labe, ein Klimawissenschaftler, der derzeit an der NOAA's Geophysical Fluid Dynamics Laboratory und in Verbindung mit der Princeton University arbeitet, hat umfangreiche Forschungen zu klimatischen Extremereignissen und deren Variabilität durchgeführt: «Diese Ereignisse sind äusserst selten und treten normalerweise nur alle paar Jahrzehnte auf. Die Häufigkeit und Intensität solcher Störungen des Polarwirbels könnte sich jedoch mit dem fortschreitenden Klimawandel erhöhen.»
Die Folgen dieser Hitzewellen sind bereits messbar und alarmierend. Zwischen 2000 und 2020 schmolz 280 Prozent mehr Eis in der Antarktis als in den 1980er und 1990er Jahren. Das ist, als würde man einen Eiswürfel in die Mikrowelle legen statt in den Gefrierschrank.
Eine Studie zeigt, dass sich der Eisverlust in der Westantarktis seit den 1990er Jahren versechsfacht hat. Allein zwischen 2012 und 2017 verlor die Antarktis jährlich etwa 219 Milliarden Tonnen Eis. Zum Vergleich: Das entspricht dem Gewicht von etwa 44'000 Cheops-Pyramiden – pro Jahr! [Quelle: NASA und Smithsonian Magazine]
Die Auswirkungen dieser antarktischen Hitzewelle reichen weit über den Südpol hinaus. David Mikolajczyk vom Antarctic Meteorological Research and Data Center warnt: «Die Antarktis kann sich schneller verändern als gedacht. Und was dort passiert, bleibt nicht dort.»
Ein besonders besorgniserregendes Szenario ist die Störung der globalen Meeresströmungen. Diese Strömungen, insbesondere die thermohaline Zirkulation, spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulierung unseres globalen Klimas. Ein massiver Süsswassereintrag durch schmelzendes Eis könnte dieses empfindliche System aus dem Gleichgewicht bringen.
Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erklärt: «Eine Abschwächung oder gar ein Zusammenbruch der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC) hätte drastische Folgen für das Klima in Europa und Nordamerika. Wir könnten paradoxerweise eine regionale Abkühlung erleben, während der Rest des Planeten sich weiter erwärmt.» [Quelle: Bayerischer Rundfunk - BR]
Bild: Adelie-Pinguine springen von Eisscholle zu Eisscholle.
Während wir über steigende Meeresspiegel und gestörte Strömungen diskutieren, sollten wir nicht vergessen, dass die Antarktis Heimat einzigartiger Ökosysteme ist. Die Hitzewelle bedroht nicht nur das Eis, sondern auch die dort lebenden Arten.
Besonders betroffen sind Kaiserpinguine. Eine Studie in «Global Change Biology» prognostiziert, dass bis 2100 zwischen 80 bis 100% aller Kaiserpinguin-Kolonien praktisch ausgestorben sein könnten, wenn die aktuellen Treibhausgasemissionen anhalten [Quelle: WWF]. Das wäre, als würde man New York City seiner gesamten menschlichen Bevölkerung berauben.
Die antarktische Hitzewelle ist mehr als nur eine Wetterkapriole – sie ist ein deutliches Warnsignal. Dr. Julie Arblaster, Klimawissenschaftlerin an der Monash University, betont: «Was wir in der Antarktis sehen, ist ein Vorbote dessen, was auf den Rest des Planeten zukommen könnte. Es ist höchste Zeit, dass wir die Klimakrise ernst nehmen und entschieden handeln.»
Doch es gibt auch Hoffnung: Durch gezielte Massnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen und die Förderung nachhaltiger Praktiken können wir den katastrophalen Trend verlangsamen oder sogar umkehren. Aber die Zeit drängt, und jeder von uns kann einen Unterschied machen. Reduzieren Sie Ihren CO2-Fussabdruck, unterstützen Sie umweltfreundliche Initiativen und bleiben Sie informiert. Denn am Ende sitzen wir alle im selben Boot – und das sollte nicht schmelzen.
Die Antarktis mag weit weg sein, aber ihre Botschaft ist klar: Es wird Zeit, dass wir alle etwas Cooleres für unseren Planeten tun.
Autor: INFO Schweiz - Redaktion