Coronavirus: Wenn die Schweiz die Grenzen dichtmacht

Würde die Schweiz wegen dem Coronavirus ihre Grenzen schliessen (dichtmachen) - d.h. sämtlichen Personenverkehr und Warenverkehr sperren - so wie das die SVP jüngst fordert, müssten alle 8,5 Millionen Schweizer Einwohner vollständig selbstversorgt werden. Das dürften harte Zeiten werden. Ganz zu schweigen, auf was man alles verzichten müsste (Nahrung, lebenswichtige Medikamente(!), allerlei Waren), das man heute tagtäglich nutzt und völlig selbstverständlich konsumiert.

Die Folgen: Bei geschlossener Schweizer Grenze müsste die Bevölkerung mit jenen Mitteln ernährt werden, die im Inland produziert werden oder bereits vorhanden sind. Kurz: Für die Menschen in der Schweiz gäbe es fast nur noch Brot, Milch, Kartoffeln, 50 Gramm Fleisch, ein bisschen Gemüse und Äpfel als Nahrungsmittel - und das erst noch strengstens rationiert. In der Schweiz sind bereits seit Anfang Jahr 760 Medikamente(!) nicht mehr lieferbar (schon Wochen vor dem Coronavirus-Ausbruch). Mit den Grenzschliessungs-Fantasien der SVP dürfte sich die Lage gefährlich zuspitzen. Ein Überblick.

Inhalte:

 


 

 

Was würden wir essen?

Was würden wir essen, wenn sich die Schweiz aufgrund geschlossener Grenzen vollständig selbst versorgen müsste? Wie hoch ist der Selbstversorgungsgrad, wie gross sind die Schweizer Reserven?

Eins ist klar: Wären die Grenzen dicht, müssten die Bewohnerinnen und Bewohner der Schweiz auf Vieles verzichten, das uns heute selbstverständlich erscheint. Allen voran auf Kaffee, Schokolade, Alkohol, Bananen, Kiwi, Mangos, Orangen, Mandarinen und allgemein Zitrusfrüchte, Pfeffer, Paprika, Meersalz usw.

Kaffee und Kakao werden beispielsweise fast ausschliesslich importiert, die Reserven würden daher rasch zu Neige gehen. Kaffeebohnen könnten allerhöchstens noch in Tropenhäusern angebaut werden. Auch Alkohol wäre Mangelware, denn lediglich 15% des Alkohols stammen aus inländischer Produktion. Auf Bananen und Zitrusfrüchte müsste die Schweizer Bevölkerung komplett verzichten. Dafür gäbe es aber einen Kirschen-Überschuss (saisonal). Die Apfel- und Birnen-Reserven könnten ebenfalls die Nachfrage decken. Anbei eine detaillierte Übersicht.


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Selbstversorgung-Reserven

Der Schweizer Netto-Selbstversorgungsgrad sinkt 2016 erstmals unter 50 Prozent! Eine Übersicht der verfügbaren Nahrungsmittel.


Nahrungsmittel Selbstversorgungsgrad
Bananen 0%
Zitrusfrüchte 0%
Kaffee >0%
Schokolade >0%
Fische 2%
Nüsse 2%
Alkohol 15%
Pflanzliche Fette, Öle 25%
Früchte 27%
Schaffleisch 40%
Getreide insgesamt (ohne Reis) 48%
Gemüse 49%
Futtergetreide 52%
Geflügel 53%
Eier & Eikonserven 53%
Getreide (inkl. Reis) 54%
Zucker 70%
Speisekartoffeln 71%
Brotgetreide 77%
Kern- & Steinobst 78%
Rindfleisch 86%
Konsummilch 95%
Schweinefleisch 96%
Kalbfleisch 98%
Butter 107%
Milch & Milchprodukte gesamt (inkl. Butter) 114%
Käse (inkl. Quark) 117%
Nahrungsmittel brutto* 59% (2015)
56% (2016)
Nahrungsmittel netto** 51% (2015)
48% (2016)

* Brutto bedeutet inkl. Futtermittelimporte
** Netto bedeutet ohne Futtermittelimporte
Quellen: Agrarbericht. 20 Minuten. Stand 2015.


Definition: Der Selbstversorgungsgrad bezeichnet das Verhältnis der Inlandproduktion zum inländischen Gesamtverbrauch.
 

Der Selbstversorgungsgrad wird mit einem täglichen Pro-Kopf-Konsum berechnet. 2012 betrug dieser 14’091 kJ (Quelle).

 

 

Die Schweiz im internationalen Vergleich

Schweiz Flagge Wappen

Der Brutto-Selbstversorgungsgrad der Schweiz durch die inländische Produktion beträgt im Jahr 2016 56%. 2015 waren es noch 59% und 2014 63%. Zieht man die Futtermittelimporte ab, deckt die inländische Produktion 2016 gerade noch 48% des Konsums ab.

Im internationalen Vergleich steht die Schweiz denkbar schlecht da (Stand 2016).

Land Selbstversorgungsgrad
Australien 173%
USA 124%
Frankreich 111%
Deutschland 85%
Italien 78%
Schweiz 56%

 

 

Selbstversorgungsgrad Schweiz 1908-2017

Entwicklung des Selbstversorgungsgrades in der Schweiz von 1908 bis ins Jahr 2017.

Jahr Selbstversorgungsgrad
1908-1912 53,1%
1934-1936 52,2%
1943-1945 70,5%
1946-1955 55,7%
1979-1981 65,5%
2000 62%
2005 63%
2010 60%
2011 63%
2012 62%
2016 56%
2017 59%

Quelle

 

 

Medikamente

Antidepressiva, Blutdrucksenker, Schmerzmittel - rund 260 Medikamente sind momentan im Nachbarland Deutschland knapp. In der Schweiz sind sogar über 760 Medikamente nicht lieferbar - «Wochen vor den ersten Meldungen von Coronavirus-Infizierten», wie der «Beobachter» berichtete. Selbst gängige Medikamente wie Antibiotika oder Mittel gegen Bluthochdruck sind knapp. Betroffen sind primär Generika. Ein zusätzliches Problem sind die Rohstoffe der Medikamente. «Diese werden längst in grossen Mengen in Chemiefirmen in Indien oder China hergestellt. Dort können die Stoffe deutlich günstiger hergestellt werden als hierzulande», berichtet der «Blick».


«Ja, es stimmt, dass eines der zwei Adrenalin-Produkte [Anm. Notfallmedikament] seit Mitte Februar nicht verfügbar ist», bestätigt Ueli Haudenschild, der Heilmittel-Verantwortliche beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), gegenüber dem «Beobachter».


Mit dem globalen Ausbruch des Coronavirus dürfte sich der Medikamenten-Engpass in der Schweiz weiter zuspitzen. Denn die Wirkstoffe von 153 Medikamenten werden in der chinesischen Provinz Hubei hergestellt. Jene Region also, wo das Coronavirus ausgebrochen ist. Mit einer Schliessung der Schweizer Grenze würde die Lage zusätzlich verschärft und wohl für viele Menschen lebensbedrohlich. Daher sind die Grenzschliessungs-Fantasien der rechtsnationalen Schweizerischen Volkspartei (SVP) im höchsten Masse unverantwortlich.

 

 

Ist die Schweiz überbevölkert?


«Das zeigt doch bloss, dass wir längst zu viele Menschen in der Schweiz haben. Wir sind längst überbevölkert.» [Kommentar auf Facebook]



Schlechtes Argument. Die Schweiz ist kein isolierter Stamm im tiefen Regenwald, sondern ein umtriebiger Dreh- und Angelpunkt mitten in Europa (von dem in erster Linie die Schweiz profitiert).


Es gibt keinen Grund, die Grenzen zu schliessen und auch keinen, sich vollständig selbst versorgen zu müssen. Die Versorgung der Schweiz wird gewährleistet bleiben.

Unser heutiger Wohlstand basiert allen voran auf Handel. Die gute Infrastruktur verdanken wir u.a. Migranten. Die blühende Wirtschaft u.a. ausländischen Fachkräften sowie hauptsächlich dem Handel resp. der Verwertung von importierten Ressourcen aus dem Ausland.

Der Selbstversorgungsgrad ist in diesem globalisierten Fall ein schlechtes Argument gegen Überbevölkerung. Zumal die Bevölkerungsdichte in der Schweiz (204 Einwohner pro km2) ähnlich der in Deutschland (231 Einwohner pro km2) ist. Trotzdem hat Deutschland (85%) den deutlich höheren Selbstversorgungsgrad als die Schweiz (58%).

Folglich spielen weit mehr Faktoren als die Bevölkerungszahl eine Rolle (z.B. gesetzliche, topografische, geopolitische, regierungspolitische, wirtschaftliche etc.). Auch bieten dem Schweizer Verdichtungsradar zufolge die bestehenden Bauzonen in der Schweiz für zusätzliche 2,8 Millionen Menschen sowie für 2,1 Millionen Arbeitsplätze Platz. Ob das allerdings zu begrüssen wäre, ist eine andere Frage.

Weiterführende Informationen:
Bei Selbstversorgung gibt es nur noch das zu essen (20Min)

Quellen:
Agrarbericht Schweiz, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)

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(Last updated: 04.03.2020, 12:40)