Höhere Franchisen beschlossen. Patienten in der Schweiz, allen voran chronisch Kranke und ältere Menschen, sollen deutlich stärker für die Behandlungs- und Gesundheitskosten aufkommen. Deshalb soll die Mindestfranchise in der obligatorischen Krankenversicherung für Erwachsene massiv steigen - auf Druck der SVP und FDP sowie mithilfe einiger CVPler.
Und zwar so rasch als möglich. Danach soll es alle drei bis fünf Jahre weitere automatische Erhöhungen der ordentlichen Franchise geben.
Einzig die Linke im Parlament wehrte sich geschlossen gegen diese Franchisenerhöhung. Sie stand aber sowohl im rechtsdominierten Nationalrat wie auch im Ständerat in Unterzahl auf verlorenem Posten. SP-Ständerat Paul Rechsteiner hält fest: «Die Schweiz ist schon heute das Land, in dem die Leute im europäischen Vergleich mit Abstand am meisten Gesundheitsdienstleistungen aus der eigenen Tasche zahlen müssen. Die Belastung des Haushaltsbudgets ist in keinem entwickelten Land höher als in der Schweiz.»
Inhalte:
Der von FDP und SVP absolut dominierte Nationalrat hatte der Forderung des Bundesrates zur gestaffelten Franchisenerhöhung mit 133 zu 53 Stimmen zugestimmt. Danach stimmte auch die Gesundheitskommission des Ständerates (SGK-S) dieser Gesetzesvorlage mit 7 zu 4 Stimmen zu. Und nun hat der bürgerlich-rechts dominierte Ständerat ebenfalls mit 26 zu 13 Stimmen die Franchisenerhöhung definitiv besiegelt. Heisst konkret: SVP, FDP und CVP stimmten dafür, einzig die SP stimmte gegen die Franchisenerhöhung.
Die SP hat das Referendum angekündigt. Nun muss das Volk entscheiden, ob sie die Linke im Widerstand gegen diese unsoziale Franchisenerhöhung unterstützt oder im Wahljahr weiterhin mehrheitlich der regierenden und sozialabbauenden FDP, SVP und CVP folgt.
Kranke sollen Arztrechnungen und Spitalaufenthalte selber zahlen
Die Schweizerinnen und Schweizer sollen «mehr Eigenverantwortung übernehmen»
Die FDP hat bereits mehrere entsprechende Vorstösse im bürgerlich-rechts dominierten Parlament lanciert ...
Um was geht es?
Franchisen und Bruttokosten zu Lasten der Grundversicherung sollen im Verhältnis 1:12 gehalten werden. Sobald die Kosten einen bestimmten Grenzwert erreichen (13-mal höher als die ordentliche Franchise = 3900 Fr.), sollen die Franchisen in 50-Franken-Schritten steigen. Laut «srf» könnte das beim jetzigen Kostenwachstum alle 3 bis 5 Jahre der Fall sein.
Merke: 1996 betrug die Mindestfranchise noch 150 Franken. Eine erste Anpassung der Mindestfranchise von 300 auf 350 Franken um +16.67 Prozent soll bereits mit Inkrafttreten der Gesetzesbestimmung erfolgen. Dabei bleibt es aber nicht. Dazu kommt der Selbstbehalt von mindestens 700 Schweizer Franken.
«Das heisst also, dass die Leute, die für ihre Gesundheitsausgaben schon die hohen Prämien bezahlt haben, im Krankheitsfall noch einmal mindestens 1000 Franken zu bezahlen haben. Auch wenn sie für diese Leistungen krankenkversichert sind», kritisiert SP-Ständerat Paul Rechsteiner auf seiner Webseite.
Doch die SVP plante mit der Motion von SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner sogar eine (so rasch wie mögliche) Anhebung der Minimal-Franchise von 300 auf 500 Franken. Das entspräche einem Anstieg von 66,67 Prozent.
Eingereichte SVP-Motion 16.4044: «Der Bundesrat wird beauftragt, die ordentliche Franchise gemäss Verordnung über die Krankenversicherung auf 500 Franken festzusetzen.»
«Eine höhere Kostenbeteiligung schafft erwiesenermassen positive Anreize für kostenbewusstes Verhalten und senkt gleichzeitig die Prämienbelastung aller Versicherten», so Giezendanner.
Die Mitunterzeichner der Forderung nach einer 67%-hohen Franchise-Erhöhung lesen sich wie das Who is Who der SVP:
Parlamentarier | Partei |
Addor Jean-Luc | SVP-Nationalrat |
Aebi Andreas | SVP-Nationalrat |
Aeschi Thomas | SVP-Nationalrat |
Amaudruz Céline | SVP-Nationalrätin |
Amstutz Adrian | SVP-Nationalrat |
Arnold Beat | SVP-Nationalrat |
Bigler Hans-Ulrich | FDP-Nationalrat |
Brand Heinz | SVP-Nationalrat |
Brunner Toni | SVP-Nationalrat |
Buffat Michaël | SVP-Nationalrat |
Burgherr Thomas | SVP-Nationalrat |
Burkart Thierry | FDP-Nationalrat |
Bäumle Martin | GLP-Nationalrat |
Büchel Roland Rino | SVP-Nationalrat |
Bühler Manfred | SVP-Nationalrat |
Cassis Ignazio | FDP-Bundesrat |
Chiesa Marco | SVP-Nationalrat |
Clottu Raymond | SVP-Nationalrat |
De Courten Thomas | SVP-Nationalrat |
Dettling Marcel | SVP-Nationalrat |
Eichenberger-Walther Corina | FDP-Nationalrätin |
Estermann Yvette | SVP-Nationalrätin |
Flach Beat | GLP-Nationalrat |
Flückiger-Bäni Sylvia | SVP-Nationalrätin |
Frehner Sebastian | SVP-Nationalrat |
Geissbühler Andrea Martina | SVP-Nationalrätin |
Glarner Andreas | SVP-Nationalrat |
Glauser-Zufferey Alice | SVP-Nationalrätin |
Golay Roger | SVP-Nationalrat |
Grin Jean-Pierre | SVP-Nationalrat |
Grossen Jürg | GLP-Nationalrat |
Grunder Hans | BDP-Nationalrat |
Grüter Franz | SVP-Nationalrat |
Guhl Bernhard | BDP-Nationalrat |
Gössi Petra | FDP-Nationalrätin |
Hausammann Markus | SVP-Nationalrat |
Heer Alfred | SVP-Nationalrat |
Herzog Verena | SVP-Nationalrätin |
Hess Erich | SVP-Nationalrat |
Hess Lorenz | BDP-Nationalrat |
Humbel Ruth | CVP-Nationalrätin |
Hurter Thomas | SVP-Nationalrat |
Imark Christian | SVP-Nationalrat |
Jauslin Matthias Samuel | FDP-Nationalrat |
Keller Peter | SVP-Nationalrat |
Keller-Inhelder Barbara | SVP-Nationalrätin |
Knecht Hansjörg | SVP-Nationalrat |
Köppel Roger | SVP-Nationalrat |
Matter Thomas | SVP-Nationalrat |
Moret Isabelle | FDP-Nationalrätin |
Müller Thomas | SVP-Nationalrat |
Müller Walter | FDP-Nationalrat |
Müri Felix | SVP-Nationalrat |
Nicolet Jacques | SVP-Nationalrat |
Pantani Roberta | Lega-Nationalrätin |
Pezzatti Bruno | FDP-Nationalrat |
Pieren Nadja | SVP-Nationalrätin |
Portmann Hans-Peter | FDP-Nationalrat |
Quadri Lorenzo | Lega-Nationalrat |
Reimann Lukas | SVP-Nationalrat |
Reimann Maximilian | SVP-Nationalrat |
Rickli Natalie | SVP-Nationalrätin |
Rime Jean-François | SVP-Nationalrat |
Ruppen Franz | SVP-Nationalrat |
Rösti Albert | SVP-Nationalrat |
Schwander Pirmin | SVP-Nationalrat |
Sollberger Sandra | SVP-Nationalrätin |
Stamm Luzi | SVP-Nationalrat |
Steinemann Barbara | SVP-Nationalrätin |
Tuena Mauro | SVP-Nationalrat |
Vitali Albert | FDP-Nationalrat |
Vogt Hans-Ueli | SVP-Nationalrat |
Von Siebenthal Erich | SVP-Nationalrat |
Walter Hansjörg | SVP-Nationalrat |
Walti Beat | FDP-Nationalrat |
Wasserfallen Christian | FDP-Nationalrat |
Weibel Thomas | GLP-Nationalrat |
Wobmann Walter | SVP-Nationalrat |
Zanetti Claudio | SVP-Nationalrat |
Glücklicherweise für die Versicherten wurde die SVP-Motion am 14. Dezember 2018 abgeschrieben, weil sie nicht innert zwei Jahren abschliessend im Rat behandelt wurde. Vom Tisch ist das Thema aber noch lange nicht. Im Nationalrat ist eine Motion der Gesundheitskommission hängig, die eine ordentliche Franchise von 500 Franken verlangt.
Doch nicht nur die ordentliche Minimal-Franchise von 300 Fr. (tiefste Wahlfranchise) soll steigen. Ausserdem möchte der Nationalrat zusätzlich das sogenannte „Franchise-Hüpfen“ unterbinden. Denn wer krank wird, kann in der Schweiz für das folgende Prämien-Jahr einfach zu einer tieferen Franchise wechseln - und muss sich so weniger an den Gesundheitskosten beteiligen als bei der höheren Franchise. Das soll künftig nicht mehr erlaubt sein. Wenn es nach der rechten Ratsmehrheit von SVP und FDP im Nationalrat geht, soll für jene Versicherten mit hoher Franchise eine dreijährige Wechsel-Sperrfrist zu einer tieferen Franchise gelten. Zumindest dies hat die SGK-S, anders als der Nationalrat, abgelehnt.
Prämienverbilligung auf Abschussliste
der Schweizerischen Volkspartei (SVP) schweizweit
Wer soll sich die Krankenkassenprämien noch leisten können? Die SVP schiesst aus allen Rohren gegen die für manche existenzielle Prämienverbilligung. Damit zielt die SVP direkt auf Familien, Schlechtverdienende und alte Menschen in der Schweiz ...
Die Linke und die Grünen kritisieren, dass diese unsozialen Verschärfungen vor allem ältere Menschen und chronisch Kranke treffen. SP-Nationalrätin Barbara Gysi warnt bei einer Erhöhung der Franchisen vor Kostenverlagerungen zur Sozialhilfe und zu den Ergänzungsleistungen (EL). Ausserdem würde eine höhere Franchise dazu führen, dass die Leute zuwarten, um zum Arzt zu gehen, weil sie sich die Arztbehandlung nicht leisten könnten. In der Folge würden die Krankheiten dann schlimmer und chronisch werden.
Weiterführende Informationen & Quellen:
• Kranke sollen einen grösseren Teil der Arztrechnung selber zahlen (Parlamentsdienste)
• Franchisen sollen den steigenden Kosten angepasst werden (Parlamentsdienste)
• Krankenversicherung. Franchise auf 500 Franken festsetzen (Motion Parlament.ch)
• Wegen hohen Gesundheitskosten – Nationalrat will Minimal-Franchise erhöhen (SRF)
Vielleicht interessiert Dich auch:
Autor: Schweiz - Redaktion