Tickende Zeitbombe:
Der Golfstrom könnte vor dem Umkippen stehen und das Klima radikal aus dem Gleichgewicht bringen


Europa könnten eisige Winter wie in Sibirien bevorstehen, denn die tickende Klima-Zeitbombe „Golfstrom“ droht hochzugehen. Der Golfstrom spielt nämlich eine entscheidende Rolle für das Klima, das wir in Europa haben. Er ist unsere Klimamaschine, unsere Fernheizung, im Grunde genommen ist er das Lebenselixier von Mittel- und Nordeuropa. Nun steht der Golfstrom aber nah an der kritischen Schwelle, kurz vor dem Kipppunkt. Kippt der Golfstrom, könnte es das Klima radikal aus dem Gleichgewicht bringen. Die Folgen wären global und verheerend.

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Eine Million
Atomreaktoren

Der Golfstrom ist die stärkste Wärmepumpe der Welt. «Die Wärme, die die Strömung mit sich führt, entspricht der Leistung von rund einer Million Atomreaktoren», berichtet das Fachmagazin «Klimareporter». Das allein zeigt, wieso Klimaforscher den Golfstrom als eines der Kippelemente im Erdsystem betrachten.


Die Dimensionen sind gewaltig:

«Das Golfstrom-System bewegt fast 20 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde, etwa das Hundertfache des Amazonasstroms», und maximal 150 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde, erklärt Klimaforscher Prof. Dr. Stefan Rahmstorf vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Das ist mehr als hundert Mal so viel Wasser, wie über alle weltweiten Flüsse ins Meer fliesst.

 

 

Das Klima droht
zu kippen

Der Golfstrom hat jedoch dramatisch an Kraft verloren, neuste Messdaten deuten auf einen Stabilitätsverlust im Atlantischen Ozean hin. Forscher haben Hinweise gefunden, dass sich die sogenannte Atlantische Umwälzströmung (AMOC), zu der auch der Golfstrom gehört, einer kritischen Schwelle nähert. Jenseits dieser Schwelle könnte die Strömung sogar zusammenbrechen. Zu diesem Ergebnis kommt der Klimaforscher Niklas Boers vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) in der beunruhigenden Studie «Observation-based early-warning signals for a collapse of the Atlantic Meridional Overturning Circulation».

 

 

Ein neuralgischer Punkt
im globalen Klimasystem

Das wird für uns Menschen deshalb zu einem Problem, weil der Golfstrom zu den kritischen Kippelementen des Klimasystems zählt. Ein neuralgischer Punkt sozusagen. Das Kippen des Systems hätte unvorhersehbare Auswirkungen auf Natur und Mensch. Klimaforscher warnen bereits ausdrücklich vor Konsequenzen für Wettersysteme weltweit.


Sibirische Kälte in Europa:

Die Golfströmung «transportiert warme Wassermassen aus den Tropen an der Meeresoberfläche nach Norden und kaltes Wasser am Meeresboden nach Süden». Darauf gründet das relativ milde Klima in Mitteleuropa. Ohne den Golfstrom würden die Winter bis nach Südeuropa sehr viel kälter ausfallen, Skandinavien läge unter einer Eisdecke und in Nord- und Westeuropa würde es fast so eisig wie in Sibirien.
(Quelle: Tagesspiegel)

 

 

Golfstrom garantiert Europa
ein mildes Klima

Zum Glück gibt es den Golfstrom: er beschert uns Menschen in Nordeuropa ein mildes Klima und ist für das globale Klimasystem der Erde von zentraler Bedeutung.

Schwächt sich diese Golfstrom-Meereszirkulation nun weiter ab, könnte dies zu extremeren Wetterereignissen führen, denn ohne diese warmen Wassermassen wäre es bei uns deutlich kälter und die Temperaturschwankungen wären stärker. Klimaforscher schliessen ab dann auch keine Hurrikane in der europäischen Atlantik-Region mehr aus, was man bislang eigentlich nur vom amerikanischen Kontinent her kennt. «Auch das Muster der tropischen Monsune könnte beeinflusst werden», schreibt die «Berner Zeitung» über den globalen Dominoeffekt.

Die Lage ist ernst. Die internationale Studie «Observed fingerprint of a weakening Atlantic Ocean overturning circulation» publiziert in der Fachzeitschrift Nature kommt zum Ergebnis, dass der Golfstrom seit 1950 bereits um bis zu 15 Prozent an Geschwindigkeit verloren hat. «In absoluten Zahlen bedeutet das eine Abschwächung der Strömung um drei Millionen Kubikmeter pro Stunde – eine Menge, die dem Dreifachen des Abflusses aller Flüsse der Erde zusammen entspricht», erklärt Klimaforscher Prof. Dr. Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, einer der weltweit führenden Experten in diesem Thema.


Immer langsamer:

Die Strömung des Golfstroms hat sich im 20. Jahrhundert so verlangsamt wie seit 1000 Jahren nicht. Die Klimaforschung vermutet, dass die erhöhte Süsswasserzufuhr durch Regenfälle und Eisschmelze dafür verantwortlich sein könnte. «Süsswasser sinkt nicht ab, weil es leichter ist als Salzwasser. Das könnte die Atlantikzirkulation behindern, die durch das Absinken von kaltem Wasser und Aufsteigen von warmem Wasser angetrieben wird.»
(Quelle: Quarks)

 

 

Bricht der
Golfstrom zusammen?

Doch dem nicht genug: der Golfstrom könnte durch die globale Erwärmung und durch Schmelzwasser aus Grönland aufgrund von steigenden Temperaturen in der Arktis noch deutlich langsamer werden. Sollten sich die Prognosen bewahrheiten und die Zirkulation des Golfstroms eines Tages tatsächlich abreissen, wären die Folgen für das Weltklima schwerwiegend. In Europa könnten sich Extremwetter häufen, «wichtige Ökosysteme im Nordatlantik zusammenbrechen und der Meeresspiegel an der US-Küste um bis zu einem Meter zusätzlich ansteigen», fasst «Quarks» die Konsequenzen zusammen.

ABER: Dies zu untersuchen gestaltet sich als nicht so einfach, noch fehlen weitere Daten, um klimatologisch belastbare Vorhersagen aus langjährigen Beobachtungen zu ziehen. Die Statistikerin Niamh Cahill von der Maynooth University bestätigt aber, dass die Daten «ein konsistentes Bild» liefern. «Die Abschwächung der Strömung ist seit mehr als 1000 Jahren beispiellos.»

Bleibt uns vorerst nur, gebannt auf den Golfstrom zu schauen und zu hoffen, dass es sich lediglich um eine kurzzeitige Anomalie handelt (best case) und nicht etwa um einen langfristigen Trend (worst case), worauf die neusten Messdaten derzeit eher hindeuten. Wenn der kritische Punkt überschritten wird, werde die AMOC innert weniger Jahrzehnte weitestgehend zum Erliegen kommen. Bereits für die nahe Zukunft sagen die Klimaforscher entlang der nördlichen US-Küste häufigere Überschwemmungen und in Europa mehr Extremwetterereignisse voraus.

 

 

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Autor: INFO Schweiz - Redaktion

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(Last updated: 06.08.2021, 17:26)