Der bürgerlich-rechts regierende Nationalrat hat die Zuckersteuer für die Schweiz 121:43 Stimmen abgelehnt. Geschlossen dagegen waren alle Parlamentarier von:
Einzig die Grünen und die SP waren geschlossen für die Zuckersteuer.
Dabei ist die Schweiz völlig überzuckert. 43% der Schweizer Bevölkerung sind laut Studie des Bundesamt für Gesundheit übergewichtig, der Zuckerkonsum ist mitverantwortlich. Die Zucker-Lobby jedoch ist hierzulande zu mächtig und einflussreich, um griffige Gesetze zu beschliessen: Denn die Zucker-Lobby hockt mit dem unscheinbaren Namen «Informationsgruppe Erfrischungsgetränke» mitten im Bundeshaus - im Parlament und sogar in den wichtigen Gesundheitskommissionen. Mit Vertretern von Red Bull, Coca-Cola, Ramseyer und Rivella im Vorstand. Und sie verhindert erfolgreich griffige Gesetze, wo immer nötig. Doch der Reihe nach.
Inhalte:
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt maximal 25 Gramm Zucker pro Tag (6 Würfelzucker). Das sind pro Jahr empfohlen maximal 9,12 kg Zucker.
Die Schweizerinen und Schweizer verbrauchen jedoch 110 Gramm Zucker pro Tag (28 Würfelzucker). Das sind pro Jahr 40,1 Kilogramm Zucker. Also mehr als vier Mal so viel, wie von der WHO empfohlen.
Das heisst: Ein Becher Früchtejoghurt (6 Würfelzucker) und der empfohlene Tagesbedarf an Zucker ist bereits erreicht. Drei Deziliter CocaCola sind bereits zu viel.
Weitere Würfelzucker-Beispiele
Nahrungsmittel | Würfelzucker |
150 Gramm Gummibärchen | 29 Würfelzucker |
5 dl Fanta Lemon | 14 Würfelzucker |
5 dl Coca-Cola | 13 Würfelzucker |
5 dl Rivella | 11 Würfelzucker |
1 Becher Früchtejoghurt | 6 Würfelzucker |
30 Gramm Cornflakes | 6 Würfelzucker |
1 Glas Cola | 5,5 Würfelzucker |
1 Tiefkühlpizza | 4,3 Würfelzucker |
100 Gramm Beutelsuppe | 2,5 Würfelzucker |
20 Gramm Ketchup | 1,5 Würfelzucker |
200 Gramm Salami | 0,5 Würfelzucker |
Die Schweiz liegt in punkto Zuckerverbrauch pro Kopf auf Platz fünf der Weltrangliste. Der Verbrauch ist hierzulande sogar höher als in den viel gescholtenen USA.
«Unter dem Strich macht die Zuckersteuer genau das, was sie soll: Der Konsum geht zurück, die Industrie entschärft die Zuckerbomben. Das ist positiv. Die Gesellschaft lebt gesünder, im besten Fall sinken gar die Gesundheitskosten. Das ist wichtiger als der Umsatz von Getränkehersteller», bringt es «Nau» treffend zu Wort.
Die Standesinitiative zur Einführung einer Zuckersteuer namens «Für ein Bundesgesetz über zuckerhaltige Produkte und für einen beschränkten Zugang zu Nahrungsmitteln mit hohem Energiegehalt» geht ursprünglich auf den Kanton Neuenburg zurück. Er forderte eine Steuer auf Zucker. Alle Einnahmen aus der Zuckersteuer wären in die Prävention der durch Zucker- und Süssstoffkonsum bedingten Erkrankungen geflossen. Einmal mehr machte die Zucker-Lobby an den Schalthebeln der Macht seinen Einfluss geltend und verhinderte eine Einführung der Zuckersteuer, die international z.Bsp. in Grossbritannien und Irland bereits eingeführt wurde - und erste Erfolge feierte (dazu weiter unten mehr Infos). Sowohl die SVP, die FDP, die GLP, die CVP wie auch die BDP sorgten mit ihren Voten zuverlässig dafür, dass die Interessen der Zuckerlobby gewahrt bleiben.
Die abgelehnte Zuckersteuer-Initiative:
Gestützt auf Artikel 160 Absatz 1 der Bundesverfassung reicht der Kanton Neuenburg folgende Standesinitiative ein:
Die Bundesversammlung wird aufgefordert zu prüfen, ob es zweckmässig ist, ein Spezialgesetz zu zuckerhaltigen Produkten zu erlassen, und allfällige nützliche Gesetzesanpassungen vorzunehmen, um die Diabetes- und Fettleibigkeitsepidemie wirksamer bekämpfen und die dafür zur Verfügung stehenden Mittel aufstocken zu können.
- Mit dem Gesetz soll eine Steuer auf den bei der Herstellung zugesetzten Zucker eingeführt werden.
- Sämtliche Einnahmen aus dieser Steuer sollen zur Prävention der durch Zucker- und Süssstoffkonsum bedingten Erkrankungen verwendet werden.
- Im Gesetz soll definiert werden, welche Berufsgruppen der Zuckersteuer unterliegen und welche davon befreit sind.
- Die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) soll dahingehend geändert werden, dass sie für die Abgabe von Nahrungsmitteln mit hohem Energiegehalt und für die einschlägige Werbung Beschränkungen vorsieht.
Zuckersteuer-Begründung der Initianten:
Diese Forderung wird geltend gemacht in Anbetracht:
- der beträchtlichen Auswirkungen der nichtübertragbaren Erkrankungen auf die gesamten Gesundheitskosten;
- der sich seit mehreren Jahrzehnten immer weiter ausbreitenden globalen Diabetes- und Fettleibigkeitsepidemie;
- der positiven Auswirkungen der Zuckersteuer auf die Stabilisierung des Zuckerkonsums pro Kopf in Ländern mit einer solchen Steuer;
- der Empfehlungen der WHO, mit denen die Staaten aufgefordert werden, entsprechende Rechtsnormen zu erlassen;
- der positiven Präventionsbilanz des Alkoholgesetzes und des Bundesgesetzes über Tabakprodukte, ohne dass die Interessen der Wirtschaftskreise verletzt wurden;
- der im internationalen Vergleich geringen Mittel für Prävention und Gesundheitsförderung.
Ein Fall für die (Gesundheits-)Politik. Doch alle Vorstösse für griffige Massnahmen, z.B. eine Zuckersteuer wie sie Grossbritannien und Irland kennen (siehe weiter unten), sind im Parlament chancenlos. Der mächtigen Zucker-Lobby in der Schweiz sei Dank.
«Zucker ist sicher nicht ungesund. Zu viel Zucker ist ungesund», so FDP-Nationalrätin Isabelle Moret, «oberste Lebensmittelindustrie-Lobbyistin im Bundeshaus» gegenüber «srf». Als Präsidentin der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial) repräsentiert die FDP-Nationalrätin die gesamte Schweizer Nahrungsmittel-Industrie.
Die Zucker-Lobbyorganisation «Informationsgruppe Erfrischungsgetränke» leistet derweil an den Schalthebeln der politischen Macht Widerstand gegen entsprechende Vorstösse. Mit Erfolg. Präsident der Lobbygruppe ist BDP-Nationalrat Lorenz Hess. Daneben umfasst die Zuckerlobbygruppe weitere 13 «Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus dem bürgerlichen Lager und der Mitte».
6 der 14 Zuckerlobby-Mitglieder sitzen in den wichtigen Gesundheitskommissionen von Nationalrat oder Ständerat.
Gewählter Politiker-Lobbyist | Partei |
Lorenz Hess | BDP-Nationalrat |
Martin Landolt | BDP-Nationalrat |
Sebastian Frehner | SVP-Nationalrat |
Andrea Geissbühler | SVP-Nationalrätin |
Franz Ruppen | SVP-Nationalrat |
Jürg Stahl | SVP-Nationalrat |
Bruno Walliser | SVP-Nationalrat |
Brunno Pezatti | FDP-Nationalrat |
Isabelle Moret | FDP-Nationalrätin |
Ida Glanzmann | CVP-Nationalrätin |
Jakob Büchler | CVP-Nationalrat |
Alois Gmür | CVP-Nationalrat |
Konrad Graber | CVP-Ständerat |
Marco Romano | CVP-Nationalrat |
Zuckersteuer in Grossbritannien:
Ab 5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter müssen Süssgetränk-Hersteller in Grossbritannien 18 Pence Zuckersteuer bezahlen. Bei mehr als 8 Gramm Zucker erhöht sich die Zucker-Abgabe auf 27 Pence pro 100 Milliliter. Die britische Regierung rechnet mit Einnahmen von jährlich 240 Millionen Pfund (324 Millionen Franken). Die Einnahmen aus der Zuckersteuer sollen in die Prävention fliessen (z.B. Sportprogramme für Kinder sowie Schulessen). Grossbritannien folgt damit ähnlichen Modellen wie Frankreich, Mexiko und Norwegen.
Zuckersteuer in Irland:
In Irland gilt seit April 2018 eine Zuckersteuer von 20 Cent pro Liter ab 5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Bei mehr als 8 Gramm Zucker pro 100 Milliliter gilt eine Zuckersteuer von 30 Cent.
Zuckersteuer in der Schweiz? Die Schweiz hingegen kennt keine solche Regelung.
«Der Zucker hat im Parlament eine gute Lobby.» (Konsumentenschützerin und SP-Nationalrätin Prisca-Birrer-Heimo) - «Der übermässige Zuckerkonsum führt unter anderem dazu, dass in der Schweiz fast jedes fünfte Kind und fast jeder zweite Erwachsene übergewichtig ist.» (Ktipp)
Weiterführende Informationen:
• Die Zuckerlobby im Parlament (SRF)
• Die süsse Versuchung (Stiftung für Konsumentenschutz)
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Autor: Schweiz - Redaktion