Bundesbrief von 1291 - Das Geheimnis der Eidgenossenschaft

725 Jahre Bundesbrief: In der populären Schweizer Geschichtsschreibung gilt das vermutlich berühmteste Dokument des Landes als Gründungsurkunde der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Schon damals war im Bundesbrief von Ausschaffungen aus der Eidgenossenschaft und Einführung der Todesstrafe die Rede. Was steckt wirklich dahinter? Hier gibts die Infos.

Die Wissenschaftler sind sich uneinig. Trotz berechtigter Zweifel feiert die Schweiz ihren Nationalfeiertag jeweils am 1. August. Doch belegt der bekannteste aller Bundesbriefe tatsächlich die Gründung der Eidgenossenschaft am 1. August 1291?

Inhalte:

 

 

Die genaue Datierung des Bundesbriefes

Bundesbrief-Fakten:

Bundesbrief von 1291: Das GeheimnisDas älteste Verfassungsdokument der Schweiz: Zur Entstehungsgeschichte der Eidgenossenschaft besteht im Grunde genommen nur ein einziges Faktum. Und dieses allein lässt schon genügend Spielraum für Spekulationen offen.

Der Bundesbrief wurde erst im 19. Jahrhundert zur Gründungsurkunde erklärt.

Gemeint ist das genau datierte Alter des Bundesbriefes, auf dem in lateinischer Sprache ein 17-zeiliges Rechtsbündnis verfasst wurde zwischen den drei Urkantonen (Talschaften) Uri, Schwyz und "Untere Talschaft". Anstoss zur Erstellung dieses Rechtsdokumentes (ein 320 x 200 mm grosses Pergament) war der Tod des Habsburger-Königs Rudolf I. am 15. Juli 1291, der den Eidgenossen ursprünglich Unabhängigkeit zugesichert hatte. Die galt nun nicht mehr.

500 Jahre lang wurde der Bundesbrief nicht erwähnt und erst 1724 im Schwyzer Archiv entdeckt.

Bundesbrief-Text:

Bundesbrief 1. August 1291

 Foto: Bundesbrief 1. August 1291.

Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Photoglob AG (Zürich).

Übersetzung:

«In Gottes Namen. Amen. Das öffentliche Ansehen und Wohl erfordert, dass Friedensordnungen dauernde Geltung gegeben werde.
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Darum haben alle Leute der Talschaft Uri, die Gesamtheit des Tales Schwyz und die Gemeinde der Leute der unteren Talschaft von Unterwalden im Hinblick auf die Arglist der Zeit zu ihrem besseren Schutz und zu ihrer Erhaltung einander Beistand, Rat und Förderung mit Leib und Gut innerhalb ihrer Täler und ausserhalb nach ihrem ganzen Vermögen zugesagt gegen alle und jeden, die ihnen oder jemand aus ihnen Gewalt oder Unrecht an Leib und Gut antun.
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Und auf jeden Fall hat jede Gemeinde der andern Beistand auf eigene Kosten zur Abwehr und Vergeltung von böswilligen Angriff und Unrecht eidlich gelobt in Erneuerung des alten, eidlich bekräftigten Bundes, - jedoch in der Weise, dass jeder nach seinem Stand seinem Herren geziemend dienen soll.
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Wir haben auch einhellig gelobt, und festgesetzt, dass wir in den Tälern durchaus keinen Richter, der das Amt irgendwie um Geld oder Geldeswert erworben hat oder nicht unser Einwohner oder Landmann ist, annehmen sollen. - Entsteht Streit unter Eidgenossen, so sollen die Einsichtigsten unter ihnen vermitteln und dem Teil, der den Spruch zurückweist, die anderen entgegentreten.
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Vor allem ist bestimmt, dass, wer einen andern böswillig, ohne Schuld tötet, wenn er nicht seine Unschuld erweisen kann, darum sein Leben verlieren soll und, falls er entwichen ist, niemals zurückkehren darf. Wer ihn aufnimmt und schützt, ist aus dem Land zu verweisen, bis ihn die Eidgenossen zurückrufen.
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Schädigt einer einen Eidgenossen durch Brand, so darf er nimmermehr als Landmann geachtet werden, und wer ihn in den Tälern hegt und schützt, ist dem Geschädigten ersatzpflichtig.
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Wer einen Eidgenossen beraubt oder irgendwie schädigt, dessen Gut in den Tälern soll für den Schadenersatz haften.
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Niemand soll einen andern, ausser einen anerkannten Schuldner oder Bürgen, pfänden und auch dann nur mit Erlaubnis seines Richters.
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Im übrigen soll jeder seinem Richter gehorchen und, wo nötig, den Richter im Tal, vor dem er zu antworten hat, bezeichnen.
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Gehorcht einer dem Gericht nicht und es kommt ein Eidgenosse dadurch zu Schaden, so haben alle anderen jenen zur Genugtuung anzuhalten.
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Entsteht Krieg oder Zwietracht zwischen Eidgenossen und will ein Teil sich dem Rechtsspruch oder der Gutmachung entziehen, so sind die Eidgenossen gehalten, den andern zu schützen.
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Diese Ordnungen sollen, so Gott will, dauernden Bestand haben. Zu Urkund dessen ist auf Verlangen der Vorgenannten diese Urkunde gefertigt und mit den Siegeln der drei vorgenannten Gemeinden und Täler bekräftigt worden. Geschehen im Jahre des Herrn 1291 zu Anfang des Monats August.
»

Deutsche Übersetzung des lateinischen Bundesbriefes von 1291.
Quelle: Entstehung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Abt. 1, Urkunden Bd. 1, Aarau 1933.

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Rekonstruktion des Alters: Im Jahr 1966 kritisierten einige Historiker, der Bundesbrief sei eine Fälschung aus dem Jahr 1400. 1992 wurde der Fälschungsvorwurf wissenschaftlich widerlegt. Nach der sogenannten 14C-Methode wurde das Alter des Pergaments auf den Zeitraum von 1252 und 1312 festgelegt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 85 %. Theorien einer Rückdatierung halten sich aber nach wie vor hartnäckig.

Probleme:

1. Problem: Die Verfasser des Bundesbriefes erschweren eine genaue Datierung. Der Inhalt des Briefes enthält lediglich eine ungenau vorgenommene Datierung durch die oder den Verfasser. Dort steht nämlich „Zu Anfang des Monats August 1291“. Ist dann der 1. August 1291 tatsächlich der echte Gründungstag der Schweiz? Als erwiesen gilt, dass der Historiker Wilhelm Oechsli (1851-1919) eigenmächtig das Gründungsdatum auf den 1. August festlegte. Und auch, dass die Stadt Bern nicht ganz unschuldig war bei der Wahl des Nationalfeiertages.

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2. Problem: Im Bundesbrief ist keine Rede von der Gründung eines Verteidigungsbündnisses. Seine Entstehung ist vielmehr im Kontext einer Zeit der politischen Unsicherheiten zu verstehen, er diente den drei Tälern als Rechtssicherheit. Dies belegen auch die Zeilen im Text. Es ist hauptsächlich von einer losen Rechtsordnung innerhalb der Täler die Rede, nicht von einem gegenseitigem Beistand gegen die "ausländischen" Habsburger.

 

Rechtsbeistand statt politisches Bündnis

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Kein Bündnis: Der Bundesbrief enthält inhaltlich eigentlich gar kein politisches Bündnis, sondern lediglich einen gegenseitigen Rechtsbeistand der drei Gemeinden Uri, Schwyz und Nidwalden.

Nidwalden oder Urserental? Wobei es einige Unsicherheit bezüglich Nidwalden und dessen Schriftform im Lateinischen gibt. Es könnte sich auch um das Urserental handeln.

Rechtsunsicherheit als Grund: In keiner Weise wird in diesem Brief von einem Bündnis politischer Art gesprochen, noch wollen die Unterzeichner eine Loslösung gegen das damals herrschende Haus Habsburg. Vielmehr ging es darum, der durch den Tod des deutschen Königs Rudolf I. entstandenen Rechtsunsicherheit durch eine gegenseitige Verpflichtung entgegenzutreten.

Gründungstag?: Nach Abwägung aller Punkte ist es eher zweifelhaft, dass der 1. August 1291 der tatsächliche Gründungstag der Eidgenossenschaft darstellt.

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(Last updated: 23.07.2016, 17:36 Uhr)