Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und der EU

Personenfreizügigkeit zwischen der Schweiz und EU - Alle Infos zum Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union. Der Begriff Personenfreizügigkeit findet insbesondere in der Schweiz Verwendung. Er bezieht sich darauf, dass Bürger des Rechtskreises der Europäischen Union (EU) den Schweizer Inländern in einigen Lebensbereichen gleichgestellt werden. Umgekehrt greift diese Regelung aber auch für Schweizer in den EU-Staaten. Hierzu wurde ein „Abkommen zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten andererseits über die Freizügigkeit“ geschlossen. Dieses ist seit dem 1. Juni 2002 in Kraft.

Inhalt:



Ziele der Personenfreizügigkeit


Nach Art. 1 des Abkommens besitzen vier folgende Ziele im Personenfreizügigkeitsabkommen Relevanz:

  • Erstens soll es möglich sein, dass Arbeitnehmer und Selbständige ihren Arbeitsplatz und Aufenthaltsort frei wählen können.

  • Zweitens sollen Dienstleistungen im Rechtskreis des anderen Vertragspartners leichter erbracht werden können.

  • Drittens sind auch Personen unter die Freizügigkeitsregeln zu subsumieren, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.

  • Viertens ist das grundlegende Ziel dadurch gegeben, dass Bürger des Vertragspartners dieselben Rechte wie die inländische Bevölkerung erhalten.

Zur Verwirklichung arbeiten die Sozialversicherungssysteme zusammen und es kommt zur gegenseitigen Anerkennung von Bildungsabschlüssen.

 

Arbeitnehmerfreizügigkeit


Abhängig beschäftigten Personen wird ein Recht auf Freizügigkeit eingeräumt. Arbeitnehmer eines anderen Rechtskreises haben daher den gleichen Zugang zum Arbeitsmarkt wie Inländer.

Diese Gleichbehandlung umfasst auch den sozialen und steuerlichen Bereich, den Erwerb von Wohneigentum und das Recht auf einen Arbeitsplatzwechsel.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit auch auf nicht-erwerbstätige Personen anzuwenden, wie Studenten oder Rentnern; unter entsprechende Erlaubnisgründe fallen der Nachweis einer ausreichenden sozialen Absicherung und eines Krankenversicherungsschutzes.


Niederlassungsfreiheit


Hierunter fällt die Erlaubnis, eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen und Unternehmen zu gründen und zu leiten. Es greift die Inländergleichbehandlung.

D.h. Nicht-Inländer müssen unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie Inländer behandelt werden.

 

Dienstleistungsfreiheit


Hierunter fällt die Erlaubnis im anderen Rechtsraum vorübergehende Dienstleistungen zu erbringen, soweit sie nicht mehr als 90 Kalendertage im Jahr überschreiten.

Für eine längere Dauer wird eine entsprechende Erlaubnis der zuständigen Behörde verlangt.

Jedoch kann aus Gründen der öffentlichen Gesundheit, Sicherheit und Ordnung die Dienstleistungsfreiheit eingeschränkt werden. Generell ausgenommen sind ferner Tätigkeiten, die hoheitliche Befugnisse betreffen.


Bildung und Sozialsysteme


Koordination der Sozialsysteme und gegenseitige rechtliche Akzeptanz von Bildungsabschlüssen zwischen der Schweiz und der EU.

Zur Vermeidung von Schwierigkeiten im freien Personenverkehr werden für die bilateralen Beziehungen die Regelungen der Sozialversicherung, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung innerhalb der EU gelten, angewandt. Die Schweiz verpflichtet sich darüber hinaus Diplome, Zeugnisse und andere Befähigungsnachweise von EU-Bürgern anzuerkennen oder gleichwertige Bestimmungen hervorzubringen. Andererseits finden Schweizer Bildungsabschlüsse in der EU Anerkennung.


Entwicklung der Personenfreizügigkeit


Seit dem Ende des Kalten Krieges vollzog die Schweiz, die bis dahin immer unter der Doktrin der Neutralität aussenpolitisch agierte, eine Teilwende und öffnete sich politischen und wirtschaftlichen Kooperationen. Stationen von Volksentscheiden sind unter anderem:

  • Dezember 1992: Ablehnung eines Beitritts zur EWR.
  • Mai 2000: Zustimmung zu den sieben bilateralen Verträgen mit der EU.
  • März 2001: Ablehnung eines Antrags zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zur EU.
  • Juni 2005: Zustimmung zum Beitritt zum Schengen-Abkommen.
  • September 2005: Zustimmung zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Mitgliedstaaten.
  • Februar 2009: Zustimmung zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien.
  • Februar 2014: Zustimmung zur Begrenzung der Zuwanderung durch Höchstzahlen per annum.



Kritik an der Personenfreizügigkeit


Die Schweiz ist unter die Länder mit dem weltweit höchsten materiellen Wohlstand zu rechnen.

Sie ist stark aussenwirtschaftlich, insbesondere mit der EU verflochten, auf die 2002 78% der Importe und 59% der Exporte entfallen.

Trotz dieser Verbindungen werden von Schweizer Bürgern immer wieder folgende Kritikpunkte an der Personenfreizügigkeit vorgebracht:

  • Lohndumping: Die Einwanderung von Arbeitskräften aus Niedriglohnländern führt zu einem Wettbewerb unter dem insbesondere etablierte inländische Unternehmen leiden und zu immer geringeren Löhnen in existenzgefährdender Weise ihre Arbeitskraft anbieten müssen (mehr zum Thema: Lohndumping Schweiz).

  • Scheinselbstständigkeit: Es ist wird vorgegeben, eine selbständige Tätigkeit auszuüben – obwohl eine abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt – und damit eine Umgehung bzw. Reduzierung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern erreicht, die zur Reduzierung der Möglichkeiten der öffentlichen Hand führen.

  • Kriminalität: Personen aus anderen Staaten lassen sich in der Schweiz nicht integrieren und wollen nicht einer geregelten Tätigkeit nachgehen, sondern suchen das schnelle Geld in Diebstahl, Erpressung und ähnlichem.

  • Verlust sozialer Sicherheit: Viele Migranten aus osteuropäischen Staaten sind niedrige soziale Standards gewohnt und sind bereit gegen etablierte Regelungen des Umweltschutzes und Arbeitsschutzes Tätigkeiten auszuüben.

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(Last updated: 19.11.2014, 00:51 Uhr)

Info Schweiz - ConvivaPlus.ch  Autor: Swiss Info - Redaktion auf ConvivaPlus.ch
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