Direkte Demokratie in der Schweiz: Einfach erklärt

Das Schweizer Volk ist die oberste staatliche Instanz resp. der verfassungsrechtliche Souverän.


Die Schweizer sind zu Recht stolz auf den Föderalismus und ihr einzigartiges politisches System. In keinem anderen Land der Welt sind die Volksrechte derart weit gefasst wie hierzulande in der Schweiz. Eine Übersicht.

Inhalte:

Bern, Bundeshaus und Aare

 Postkarte: Bern, Bundeshaus und Aare - 1910.

Quelle: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Fotograf: Photoglob AG (Zürich).

 

Die wichtigsten Merkmale der Schweizer Demokratie:

Auch wenn im behäbigen Politbetrieb Veränderungen nur harzig umgesetzt werden, garantiert das Schweizer Politsystem dennoch Stabilität, den Einbezug von Minderheiten und meist eine produktive Konkordanz.

Selbst wenn angesichts der Tatsache, dass 50% aller Parlamentarier in derselben Lobbygruppe sitzen, die tatsächliche Existenz einer Volksdemokratie angezweifelt werden kann.

 

Die Schweiz ist eine Willensnation:

Die föderalistische Schweiz hat deshalb überlebt, weil sie den 26 Kantonen (Ständen) die grösstmögliche Autonomie zugesteht.

Die Kompetenzen für Bereiche wie Bildung, Kultur, Strassenbau, Steuern und viele mehr werden direkt den Kantonen übertragen.

 

Aufgaben des Bundes:

Der Bund übernimmt lediglich übergeordnete Aufgaben, die auf nationaler Ebene koordiniert werden müssen (Armee, Aussenbeziehungen etc.).

 

Eidgenössische Abstimmungen:

Dank der kantonalen Autonomie können die stimmberechtigten Schweizerinnen und Schweizer weitreichenden politischen Einfluss ausüben. Sie wählen z.B. ihre Kantonsvertreter nach „Bundesbern“ und stimmen über nationale Sachvorlagen ab. Zudem wählen die Schweizer ihr Gemeinde- und Kantonsparlament und bestimmen über lokale und kantonale Sachgeschäfte.

Nationale Gesetzesänderungen benötigen nicht nur das Volksmehr, sondern zugleich auch das Ständemehr (Kantonsmehrheit).

Frequenz: Pro Jahr wird das Stimmvolk zwischen drei und vier mal an die Urne gerufen (siehe: Abstimmungstermine Schweiz).

Werkzeuge: Mit dem fakultativen Referendum und der Volksinitiative besitzen die Eidgenossen zwei weitere wichtige Instrumente, um aktiv ins Politgeschehen einzugreifen.

«Die Macht des Volkes» [video]:


 

Das Referendum - einfach erklärt:

Als besondere Eigenheit des Schweizer Staatsrechts gilt das Volksreferendum (fakultatives Referendum).


Was ist das Referendum?

Mit dem Referendumsrecht hat das Volk die Möglichkeit, sich aktiv in die Gesetzgebung einzuschalten. Durch das Referendum kann es alle vom Parlament verabschiedeten Gesetze und Gesetzesänderungen nachträglich an die Urne bringen.

 

Voraussetzung:

Damit ein Referendum zustande kommt, müssen mindestens 50'000 Stimmberechtigte mit ihrer Unterschrift den Urnengang verlangen.

 

Unterschriften-Frist:

Die Unterschriften müssen binnen 100 Tagen nach der Veröffentlichung der Gesetzesvorlage bei der Schweizerischen Bundeskanzlei deponiert sein. Die Unterschriftensammlung wird meist von politischen Interessensgruppen koordiniert.

 

Erfolgreiches Referendum:

Beim Referendum benötigt es lediglich das Volksmehr, um die Abstimmung zu gewinnen. Das Ständemehr spielt hierbei keine Rolle.

 

Die Volksinitiative - einfach erklärt:


Voraussetzungen:

Zur Lancierung einer Eidgenössischen Volksinitiative braucht es mindestens 100'000 Unterschriften von Stimmberechtigten, die innerhalb 18 Monaten gesammelt werden müssen. Danach wird der Gesetzesentwurf von der Schweizerischen Bundeskanzlei auf seine Gültigkeit überprüft und gegebenenfalls im Amtsblatt veröffentlicht.

 

Prozedur:

Zugelassene Volksinitiativen werden zuerst im Bundesrat, anschliessend im Parlament (Nationalrat + Ständerat) behandelt. Ist die Vorlage umstritten, kann sich die Beratung des Geschäfts über Jahre hinziehen. Ein Musterbeispiel dazu ist die «Abzockerinitiative», die sich mit den ausufernden Managerlöhnen befasste. Das Parlament verbummelte das Geschäft in der absurden Hoffnung, es löse sich in Wohlgefallen auf.


SVP und ihre Swissoil-Verfilzung mit
der ausländischen Öl-Industrie

Unabhängigkeit vom Ausland? Schweizer Landwirtschaft retten? Falsch. Hier sind die wahren Gründe.

 

Gegenvorschlag:

Nicht selten arbeitet das Parlament direkt einen Gegenvorschlag zur Volksinitiative aus, so dass gleichzeitig über zwei Vorlagen zum gleichen Thema abgestimmt wird. Das Volk kann dann entscheiden, ob es die Volksinitiative oder den Gegenvorschlag annehmen oder beides ablehnen will.

 

Erfolgreiche Volksinitiative:

Zur Annahme von Volksinitiativen benötigt es sowohl das Volks- als auch das Ständemehr.

 

Statistik:

Die Volksinitiative ist ein beliebtes politisches Instrument. Seit 1891 bis 2013 wurden gut 400 Initiativen lanciert, wovon 304 formell zustande kamen. Doch davon gelangten lediglich 185 an die Urne; viele wurden zuvor zurückgezogen, unter anderem, weil der Gegenvorschlag des Parlaments bereits genügte.

Volksinitiativen haben in der Schweiz generell einen schweren Stand. So wurden erst rund 20 Initiativen vom Volk gutgeheissen.

Mittlerweile ist aber eine Trendwende spürbar. Vor allem sehr emotionale, rational schwer erklärbare Initiativen finden im Volk vermehrt Zuspruch. So wurde die rechtlich umstrittene Verwahrungsinitiative ebenso angenommen, wie die Initiative zum Minarettverbot oder die Einwanderungsinitiative, welche die bilateralen Verträge mit der EU gefährden könnte.

 

Aktuelle direkte Schweizer Demokratie

Geringe Stimmbeteiligung und Politikverdrossenheit:

Die zahlreichen Urnengänge verursachen hierzulande eine gewisse Politikverdrossenheit. Selbst wichtige Geschäfte, die im Vorfeld der Abstimmung grosse Polemiken auslösen, evozieren keine hohe Stimmbeteiligung.

Meist beträgt sie gerade mal zwischen 30% und 40% Stimmbeteiligung.

Die Abstimmungsvorlagen sind häufig derart komplex, dass sie vom Durchschnittsbürger kaum verstanden werden. Emotional gefärbte Entscheide sind die Folge.


DEMO LOBBYKRATIE
Die mächtigste Lobby der Schweiz
zählt 53% aller CH-Parlamentarier

Mit detaillierten Abstimmungsanweisungen

 

Gegen das Völkerrecht:

Öfters kratzen gerade Volksinitiativen kräftig am internationalen Völkerrecht oder drohen gar bestehende Staatsverträge auszuhebeln (siehe Ecopop-Initiative). Das erschwert die Zusammenarbeit mit anderen Staaten, namentlich der Europäischen Union (EU), erheblich. Doch kein Schweizer würde sein Politsystem aufgeben wollen.

 

Das politische System der Schweiz:

Dank der vielfältigen Parteienlandschaft und dem Bekenntnis zur Konkordanz (siehe: Konkordanzdemokratie), gibt es hier keine politischen Blockaden zwischen Regierung und Opposition, wie wir sie in anderen Staaten beobachten. Mit dem Volksreferendum im Nacken sind die Parlamentarier gezwungen, auch mit politischen Gegnern konstruktiv zusammenzuarbeiten.


Der grosse Mandate-Filz im Parlament
246 Parlamentarier haben 1264 Mandate!
8,3 Mandate pro Ständerat
4,4 Mandate pro Nationalrat

Durch die Volksinitiativen wird das Parlament immer wieder gezwungen, sich mit unliebsamen und schwierigen Themen auseinanderzusetzen, die es sonst erfolgreich ausklammern würde. Nicht zuletzt stellt das hiesige Politsystem sicher, dass die Anliegen von Minderheiten berücksichtigt werden, so dass die Willensnation Schweiz weiter bestehen kann.

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(Last updated: 13.12.2017, 22:10)