Nach dem Burkaverbot soll jetzt das schweizweite Betverbot für Muslime im öffentlichen Raum kommen. Die SVP-Nationalräte Andreas Glarner und Walter Wobmann forcieren ein solches nationales Verbot und warnen: «Wehret den Anfängen!»
Der Kanton Tessin hatte als erster Schweizer Kanton das Burka-Verbot beschlossen. Lanciert wurde das Volksanliegen damals vom parteilosen Tessiner Giorgio Ghiringhelli. Von seinem Erfolg angetrieben will er nun als Nächstes zur Bekämpfung eines «Ticinistan» ein Betverbot für Muslime gesetzlich verankern - und er kriegt mit Glarner (SVP-Asylchef) und Wobmann (Minarettverbot / Egerkinger Komitee) prominente Unterstützung der hauseigenen „Islam-Experten“ der Schweizerischen Volkspartei (SVP) an die Seite gestellt: Beide beabsichtigen, ein solches Betverbot gleich aufs ganze Land auszuweiten.
Das Gebetsverbot soll auf öffentlichem Grund, also auf offener Strasse, Anwendung finden. Es soll zwar vordergründig für alle gelten (offenbar mit Ausnahmen für katholische Prozessionen), zielt aber eigentlich vorderhand auf die Schweizer Muslime ab. Ein entsprechender Vorstoss zu einer Eidgenössischen Volksinitiative befindet sich bereits in Planung. So arbeitet gemäss «Nau» SVP-Nationalrat Andreas Glarner zur Zeit an einem nationalen Verbot.
Gegenüber «Nau» argumentiert Glarner, dass das öffentliche Beten von Muslimen in der Schweiz zwar «noch kein Massenphänomen» darstelle, «doch wenn wir ins Ausland gehen, sehen wir, was droht. In Belgien ist die Problematik mit muslimischen Ghettos heute schon aktuell». Daher gelte es in der Schweiz «als souveräner Staat frühzeitig einen Riegel zu schieben». Das Minarettverbot habe der Schweiz schliesslich auch nicht geschadet. SVP-Nationalrat Wobmann warnt derweil: «Wehret den Anfängen.» Denn Passagen in muslimischen Gebeten würden zu Hass aufrufen, was «keineswegs durch die Religionsfreiheit abgedeckt» sei.
Pünktlich zu den Wahlen 2019 im Herbst haben die Kampagnen-Chefs der SVP also ein neues Thema gefunden, das maximale Aufmerksamkeit garantiert. Sie wird mit aller Wahrscheinlichkeit eine Volksinitiative lancieren. SVP-Nationalrat Andreas Glarner gibt sich gegenüber «Nau» davon überzeugt, dass ein Betverbot für Muslime im öffentlichen Raum «wohl mehrheitsfähig» wäre. Initiator Ghiringhelli stört es derweil nicht, wenn er als islamophob kritisiert wird: «Ich bin es ja, aber nur im Wortsinn, ich habe Angst vor dem Islam», zitiert ihn die «Luzerner Zeitung».
FDP-Politiker Giorgio Pellanda lehnt ein Betverbot als unverhältnismässig ab. Und er findet es problematisch mit Blick auf die in der Verfassung garantierte Religionsfreiheit. Auch Saida Keller-Messahli, die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, kritisiert in der «Luzerner Zeitung» das geplante Verbot: «Dem Durchschnittsmuslim, der perfekt in die Schweizerische Gesellschaft integriert ist, käme es nie in den Sinn, dass er mit dem Gebet Juden und Christen diskriminieren könnte. Er leiert den Text hinunter, ohne ihn zu hinterfragen», sagt sie. Sie finde es übertrieben, wegen eines «Nichtproblems» ein Verbot zu erlassen. «In anderen europäischen Ländern wie Belgien, England oder Frankreich gibt es muslimische Gruppen, die mit Gebeten im öffentlichem Raum provozieren. In der Schweiz aber nicht.»
Das Betverbot: Friedliches Beten im öffentlichen Raum soll "kriminalisiert" werden, während zur selben Zeit das Saufen, Grölen, Littering und ähnliche Aktivitäten im Freien genehm sind. Eine fragwürdige Verhältnismässigkeit. Es scheint, die SVP legt selber Brände, um sich hernach als rettender Feuerlöscher aufzuspielen. Abgesehen davon hatte die SVP in der Legislatur 2015-2019 leider wenig konstruktive Sachlösungen anzubieten. Kontroverse Nebenschauplätze wie das Betverbot lenken vielmehr davon ab, dass die SVP zur Zeit einen massiven, nie dagewesenen Sozialabbau gegen den Mittelstand und die Einkommensschwachen betreibt. Vielleicht könnte ja sonst vor den Wahlen 2019 dem einen oder anderen Wähler ein Lichtlein aufgehen, dass man früher oder später womöglich gar selber von den SVP-Kürzungen betroffen ist ...
Weiterführende Informationen:
• Andreas Glarner will Betverbot für Muslime in der Öffentlichkeit (Nau)
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Autor: Schweiz - Redaktion