Die Schweiz schummelt bei der Arbeitslosenquote: Deutlich mehr Erwerbslose wie offiziell registriert

Lüge Wahrheit

Die Arbeitslosenquote der Schweiz befindet sich mit 2.7% im Dezember 2018 (119'661 Arbeitslose) auf einem Rekordtief. Ist die Schweiz ein Musterland? Eine Frage der Perspektive, denn das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) schönt ihre Arbeitslosenquote-Statistik. Anders als uns die internationale Spitzenposition weismachen möchte, sieht die Arbeitsmarkt-Situation bei näherer Betrachtung gar nicht mal so rosig sein.

Stichwort: ILO-Erwerbslosenquote. Im Gegensatz zur vom Bundesamt für Statistik (BfS) nach den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) erhobenen Erwerbslosenquote erfasst die offizielle Seco-Kennzahl hingegen nur etwa die Hälfte aller tatsächlich Arbeitslosen im Land.

Inhalte:

 


 

 

So funktioniert der Arbeitslosenquoten-Trick

In Tat und Wahrheit hat die Schweiz mit 4.4% deutlich mehr Erwerbslose wie offiziell registriert sind. Das heisst: Mehr als 219'000 Personen der Schweizer Bevölkerung sind ohne Arbeit (Stand Ende September 2018). Die Arbeitslosigkeit ist damit höher als in Deutschland und den USA. Wie erklärt sich diese massive Diskrepanz? Die Schweiz resp. das Seco zählt nach nationaler Definition ausschliesslich nur jene Arbeitslose, die sich selber bei einem der regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) gemeldet haben. Ausgesteuerte und ältere Stellensuchende fallen somit aus der Arbeitslosen-Statistik.

Schule machte der Trick damals Ende der 70er-Jahre unter Federführung der britischen Premierministerin Margaret Thatcher, welche mithilfe dieser Methodik die Ergebnisse ihrer Wirtschaftspolitik schönte.


Tiefe Arbeitslosigkeit ein Märchen? (SRF-Video)

Tiefe Arbeitslosigkeit in der Schweiz - ein Märchen?

Unser «10vor10»-Publikumsmitarbeiter braucht euch für seinen Beitrag: Von der Gesellschaft und der Statistik vergessen: Wie weiter mit den Ausgesteuerten? Diskutiert mit! #hallosrf #Publikumswoche

Posted by SRF Schweizer Radio und Fernsehen on Samstag, 7. Oktober 2017

 



«Ausgesteuerte Arbeitslose, die den Anspruch auf Taggelder der Versicherung verlieren, verschwinden in der Regel auch vom Radar der Arbeitsämter und damit aus der Statistik des Seco», fasst Daniel Lampart (SGB) zusammen, «speziell ältere Arbeitslose sind nach einer Aussteuerung nicht mehr beim RAV registriert.»
 

 

 

Die Schweiz hat eine höhere Erwerbslosenquote als diese Länder

Heute wird die Arbeitslosigkeit international nach der Messmethodik der International Labour Organization (ILO) gemessen (siehe unten Vergleich zwischen SECO u. ILO), da sie einen direkten Länder-Vergleich ermöglicht. Der ILO-Methode zufolge liegt die Erwerbslosenquote der Schweiz bei 4,4 Prozent im dritten Quartal 2018.


Zum Vergleich: Der globale Durchschnitt liegt bei 5,8% Erwerbslosenrate (Stand 2015).
 

Sprich die Schweiz hat im Jahresmittel beinahe eine doppelt so hohe Arbeitslosenquote wie vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) offiziell berechnet. Und auch deutlich höher als die nach dieser Methodik berechnete Arbeitslosigkeit in Deutschland mit einer Erwerbslosenquote von 3,1 Prozent. Weitere europäische Länder wie Norwegen (4%), Grossbritannien (4,1%), die Niederlande (4,4%) und auch die USA (4,4%) haben allesamt eine tiefere Arbeitslosigkeit als die Schweiz wie die «NZZaS» berichtet.


13'100 statt 4000 Franken Mindestlohn

Ein Arbeitnehmer mit «3500 Franken Lohn im Jahr 1989 müsste heute 13‘100 Franken verdienen» ...


 

 

+395% Langzeitarbeitslose:

Die Arbeitslosenstatistiken unterscheiden sich auch bei der Zahl der Langzeitsarbeitslosen deutlich. Das Seco geht von 20‘000 Langzeitarbeitslosen aus, während nach der ILO-Messung die Schweiz rekordhohe 99‘000 Langzeitarbeitslose zählt. Das sind +395 Prozent mehr als vom Staatssekretariat für Wirtschaft ausgewiesen.

 

 

SECO vs. ILO-Methodik im Vergleich

  Arbeitslosigkeit (SECO) Erwerbslosigkeit nach ILO (BFS)
Bevölkerung: Beim RAV gemeldete Stellensuchende Ständige Wohnbevölkerung, auch nicht gemeldete Erwerbslose
Erhebungsmethode: Registerzählung, Vollerhebung Telefonische Befragung, Stichprobe von 30'000 Personen pro Quartal
Definition: Nicht erwerbstätig (<6h/Woche), zur Stellensuche beim RAV registriert, sofort verfügbar Nicht erwerbstätig (<1h/Woche, aktiv auf Stellensuche, sofort verfügbar
ALV-Leistungsbezug: Indirekter Einfluss (bei Abmeldung vom RAV), sonst kein relevantes Kriterium für Arbeitslosigkeit Kein relevantes Kriterium für Erwerbslosigket
Genauigkeit: Exakte Zählung am Ende jedes Monats Hochrechnung mit statistischer Fehlermarge
Zeitliche Verfügbarkeit: Monatlich, Veröffentlichung bis am 10. des Folgemonats Quartalsweise, Veröffentlichung ca. 1.5 Monate nach Quartalsende

 

 

Arbeitslosen-Statistik 2018

Monat Arbeitslosenquote (Seco) Erwerbslosenquote (ILO)
Dezember 2018 2,7% -
November 2018 2,5% -
Oktober 2018 2,4% -
September 2018 2,4% 4,4%
August 2018 2,4% 4,4%
Juli 2018 2,4% 4,4%
Juni 2018 2,4% 4,4%
Mai 2018 2,4% 4,6%
April 2018 2,7% 4,8%
März 2018 2,9% 5,1%
Februar 2018 3,2% 5,3%
Januar 2018 3,3% 5,2%
Dezember 2017 3,3% 4,7%
November 2017 3,1% 4,4%
Oktober 2017 3,0% 4,5%
September 2017 3,0% 5,0%
August 2017 3,0% 5,1%
Juli 2017 3,0% 4,9%

Quellen: Bundesamt für Statistik (BfS), Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), International Labour Organization (ILO).

Weiterführende Informationen:
In der Schweiz gibt es doppelt so viele Arbeitslose, wie registriert sind (NZZ am Sonntag)
Statistiken zur Arbeitslosigkeit und Erwerbslosigkeit (Seco)
Arbeitslosenzahlen (Seco)

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(Last updated: 10.03.2019, 21:35)